Essen. Gerne stellen sich die katholische und evangelische Kirche als Wohltäter dar. Doch der Umgang mit ihren Angestellten ist von Kontrolle und Misstrauen geprägt, deckt eine WDR-Reportage auf. Die Kirche kann über das Personal entscheiden - auch wenn der Staat zahlt.
Kirchenangestellte dürfen nicht streiken. Mit einer Scheidung sind sie meistens auch ihren Job los. Eine Abtreibung? Sünde! Homosexualität? Da wollen wir gar nicht von sprechen. Würde Opel oder Lidl so tiefe Einblicke in das Privatleben ihrer Mitarbeiter verlangen und ihnen auf dieser Grundlage kündigen, die öffentliche Empörung wäre grenzenlos. Die evangelische und die katholische Kirche haben sich diese Rechte sogar in die Verfassung schreiben lassen und handeln tagtäglich danach. Wie das aussieht, hat die Journalistin Eva Müller für den WDR recherchiert: „Die Story: Gott hat hohe Nebenkosten – wer wirklich für die Kirche zahlt“ lautet der Titel der Reportage.
Bernadett Knecht ist Erzieherin in einem katholischen Kindergarten in Königswinter. Eines Tages trennt sie sich von ihrem Ehemann, verliebt sich wieder. Ihr neuer Partner lebt ebenfalls in Scheidung. Für den Pfarrer der Gemeinde Grund genug, um ihr Arbeitsverhältnis zu beenden. Die offizielle Begründung ist die „Gefahr eines schädlichen Ärgernisses in der Gemeinde“.
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Diese Entscheidung möchten zumindest die Eltern der Kindergartenkinder nicht akzeptieren. Sie wenden sich an die Stadt. Der Rat beschließt dann, die katholische Kirche als Träger des Kindergartens zu entlassen. Eine einmalige Entscheidung in ganz Deutschland.
Die Kosten für die katholische Kita trägt der Steuerzahler
Die Kosten für die Kindertageseinrichtung trägt nämlich nicht die katholische Kirche, sondern der Steuerzahler. Die Kirchensteuer wird hierfür nicht verwendet. Mit diesem Geld werden die Priester und Ordensleute bezahlt. 90 Prozent der kirchlichen Kindergärten werden aus öffentlichen Geldern finanziert, listet die Reportage auf. Bei den Krankenhäusern übernimmt der Steuerzahler sogar alle Kosten.
Und das angesichts der Tatsache, dass jeder dritte Kindergarten und jedes dritte Krankenhaus in Deutschland in kirchlicher Trägerschaft ist. Nur: Die Regeln dort macht die Kirche. Und die Gemeinden lassen sie gewähren, denn sie sparen damit eine ganze Menge Geld. Schließlich müssen sie nur für die Kosten aufkommen, die Organisation und Verwaltung der Einrichtungen übernimmt die Kirche.
Eltern treten reihenweise aus der Kirche aus
„Man meint gar nicht, dass das heutzutage noch so ist“, staunt auch die junge Lehrerin Nina Lockmann, die an einer katholischen Schule noch nicht einmal zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird, weil sie evangelisch ist. Viele Kollegen würden eben konvertieren, erzählt der Direkter der Schule. In Königswinter ist das Erstaunen bei den Eltern ebenso groß („Irgendwas läuft hier falsch“), die Konsequenz ist aber eine andere: Reihenweise treten die Eltern aus ihrer jeweiligen Kirche aus.
Mit jeder Minute der Reportage wächst beim (aufgeklärten) Zuschauer die Empörung. Schließlich pocht die Kirche in Deutschland auf Sonderrechte, für die unsere Vorfahren jahrzehntelang gekämpft haben. Weder dürfen die Bewerber auf Gleichbehandlung hoffen (wie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz festgelegt), noch dürfen sie später als Arbeitnehmer streiken oder eine tarifliche Bezahlung erwarten (Betriebsverfassungsgesetz).
Arbeitgeber kontrolliert das Privatleben der Angestellten
Außerdem kontrolliert der Arbeitgeber das Privatleben seiner Angestellten. Klingt nach einem Paradies für Willkür und Größenwahnsinn – und wenn man nach den Beispielen in der WDR-Reportage geht, dann ist es das auch. Auf Kritik stößt die Einstellung der Kirche aber erst, wenn ein dramatischer Fall wie der einer jungen Frau in Köln eintritt, die glaubte vergewaltigt worden zu sein und von gleich zwei katholischen Kliniken abgewiesen worden ist.
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Der Protest der Eltern in Königswinter sorgte letztlich dafür, dass der Kindergarten in die Hände der evangelischen Kirche übergeben wurde. Ein bisschen verlegen gibt der neue Leiter der Einrichtung schließlich zu, dass auch hier nur Mitarbeiter arbeiten dürfen, die einer christlichen Kirche angehören. Alles beim Alten also. Erfolg sieht anders aus.