Essen.. Die Krimi-Alternative zum Fußball am Sonntagabend kann sich im besten Sinne sehen lassen. Der Schweizer „Tatort“ ist ein ordentlicher Wirtschaftskrimi, dessen Thema – Steuer-CD – immer noch nichts an Aktualität verloren hat. Und noch etwas: Die langsame Erzählweise tut dem Krimi gut.
Leidet der Mann, der da durch die Straßen von Luzern hetzt, unter Paranoia? Muss er um sein Leben bangen, weil er die betrügerischen Machenschaften seines Arbeitgebers, einer Privatbank, auf eine CD gebrannt hat? Oder ist es nur ein Ablenkungsmanöver, weil er seine Geliebte getötet hat, wie deren Mann beteuert? Der Schweizer Tatort „Verfolgt“ (ARD, 20.15 Uhr) hat’s in sich: Autor Martin Maurer und Regisseur Tobias Ineichen verknüpfen einen Psychothriller mit einem Wirtschaftskrimi, in dem Wahrnehmung und Wahrheiten so geschickt ineinanderfließen, dass man dem Täuschungsmanöver erliegen könnte. Anderthalb spannende Stunden.
Zu Unrecht werden die Schweizer Ermittler Flückiger (Stefan Gubser) und Ritschard (Delia Mayer) vielerorts als Stiefkinder der Tatort-Familie betrachtet. Nur weil sie ihre privaten Untiefen nicht so offensiv ins Bild rücken, heißt das nicht, dass sie eindimensional wären: Man muss die Nuancen besser erkennen und die kleinen Signale der beiden ernsthaften Einzelgänger deuten. Und nur weil das Tempo in der Schweiz einen Tick niedriger sein mag, spricht das nicht gegen die Qualität: Langsam heißt ja nicht langweilig.
Ineichen hält das klassische Krimispiel um die Frage, wer die junge Frau getötet hat, in einer eleganten Balance zu seinen aufklärerischen Absichten, wenn es um die Macht der Banken und ihrer skrupellosen Wachhunde geht. Den Steuerkrach mit den Deutschen rührt er gekonnt darunter, er ist noch aktuell genug. Hier wünschte man sich in der Tat die Kavallerie.
Ineichens Personal ist stark. Mit Peter Siegenthalers Blick als Bankdirektor könnte man Drinks kühlen, und Alexander Beyer gibt den Mordverdächtigen auf der Flucht als Getriebenen an der Grenze zum Wahn. Viele Szenen sind gut geschrieben, besonders wenn Geschehnisse aus unterschiedlichen Perspektiven geschildert werden, so dass sich Realität und Fiktion nicht trennen lassen. Paranoia heißt ja nicht, dass man keine echten Feinde hat, sagt Flückiger. Oder irrt er sich?