Dresden. 500 deutsche Berichterstatter waren bei den Olympischen Spielen in London. Zu viele, sagt Sachsens Staatskanzleichef Johannes Beermann (CDU). Zudem äußert sich Beermann im Interview über die Talk-Shows beim öffentlichen-rechtlichen Rundfunk, Digitalkanäle und Werbung bei ARD und ZDF.

Sachsens Medienminister und Staatskanzleichef Johannes Beermann (CDU) hat die
Doppelberichterstattung von ARD und ZDF bei den Olympischen Spielen scharf
kritisiert. Die Beiträge aus London seien zwar gut und von hoher Qualität
gewesen, sagte Beermann im Gespräch mit dapd-Korrespondent Gregor Klaudius in
Dresden. Es hätte aber gereicht, wenn ein Sender über das Großereignis berichtet
hätte.

Sie haben schon häufiger die Doppelberichterstattung von ARD
und ZDF über Großereignisse kritisiert. Haben es die öffentlich-rechtlichen
Sender bei Olympia in London aus ihrer Sicht nun besser gemacht?

Johannes Beermann: Die Olympia-Berichterstattung war gut und von hoher
Qualität. Die Zuschauerquoten waren zurecht hoch. Zugleich waren allerdings mit
annähernd 500 Berichterstattern von ARD und ZDF mehr Leute unterwegs als
deutsche Sportler.

Das waren Ihnen zu viele?

Beermann: Doppelungen hätten vermieden werden können, wenn nur eine
Anstalt für die Übertragung zuständig gewesen wäre. Ich verstehe nicht, warum
sich ARD und ZDF nicht darüber verständigen können, dass einer der beiden Sender
von der Eröffnungsfeier bis zum Abschluss berichtet. ARD und ZDF begreifen sich
immer noch vor allem als Konkurrenten. Es ist wirklich zum verzweifeln, dass
dort noch ein Geist herrscht, der von den Schöpfern von ARD und ZDF nicht
gewollt ist. In Wahrheit sind sie aber Bruder und Schwester, die aus dem selben
Geldbeutel vom Gebührenzahler finanziert werden.

Beide Sendeanstalten hatten zudem ihre Online-Berichterstattung
zu Olympia stark ausgebaut.

Beermann: Ja, die Internet-Berichterstattung hatte eine völlig neue
Qualität. Die zuständigen ARD- und ZDF-Gremien haben im Drei-Stufen-Test im Jahr
2009 Umfang und Inhalt von solchen Berichterstattungen von Großereignissen
festgelegt. Ich gehe davon aus, dass sich Berichterstattung und die Beauftragung
dazu durch den Drei-Stufen-Test decken.

"Talkshows gehen zulasten des deutschen Films"

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht wegen seiner
Talk-Shows zunehmend in der Kritik. Bundestagspräsident Norbert Lammert sprach
jüngst von einer "erbarmungslosen Dominanz gebührenfinanzierter politischer
Talk-Sendungen". Stimmen Sie dem zu?

Beermann: Herr Lammert hat das auf den Punkt gebracht. Was da
allabendlich über die Fernsehbildschirm flimmert, ist zwar von hoher Qualität,
aber auch zu viel. Die Fernsehmacher sollten darüber nachdenken, ob das den
erhöhten Qualitätsansprüchen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks noch gerecht
wird. Da ist weniger mehr.

Wodurch sollte Ersatz geschaffen werden ihrer Meinung nach?

Beermann: Die Talk-Shows gehen zulasten des deutschen Films.
Sendeplätze für Fernsehspiele und deutsche Filmproduktionen fallen weg. Alle
Beteiligten sollten einmal darüber nachdenken, dass Fiktionale wieder zu
stärken. Sowohl die Öffentlich-Rechtlichen als auch die Privaten täten gut
daran, wieder mehr Sendeplätze für solche Produktionen zu finden.

Sendeanstalten sollten auf junge Menschen zugehen

Für die Privatsender gelten andere Maßstäbe als für die
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die ja vor allem nachmittags über
Unpolitisches talken lassen?

Beermann: Das sind preislich günstige Produktionen, die ihre
Zuschauer haben. Die Privaten müssen ja Geld verdienen. Das haben wir als
Politik nicht zu bewerten. Die Privaten verhalten sich aber schon nach dem
Motto, alles was nicht verboten ist, ist erlaubt.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD)
hält einen werbefreien öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab 2017 für möglich, ab
2015 könne es weniger Werbung geben. Halten auch Sie das für machbar?

Beermann: Ich kann mir einen völlig werbefreien
öffentlich-rechtlichen Rundfunk zwar vorstellen, aber nicht um jeden Preis. Eine
Erhöhung der Rundfunkgebühr zur Abschaffung der Werbung lehne ich deshalb ab. Im
Übrigen gilt ab dem nächsten Jahr ja bereits ein Verbot von Sponsoring ab 20
Uhr. Man wird also nicht mehr sehen, dass eine Biermarke den Tatort sponsert.
Fazit: 2013 kommt erst einmal die Haushaltsabgabe, schauen wir mal, wie sich das
entwickelt.

"Digitalkanäle sind verzichtbar"

Die ARD liebäugelt weiterhin mit einem eigenen Jugendkanal. Sie
haben zunächst die Abschaffung der sechs Digitalkanäle von ARD und ZDF
gefordert. Ist Vorsicht angebracht bei Spartenprojekten?

Beermann: Was den Jugendkanal angeht, müssen die Fernsehmacher
erstmal entscheiden, wie sie es denn gern hätten. Ich kann mir einen Jugendkanal
sehr gut vorstellen. Der Kinderkanal hat - abgesehen von kriminellen Vorgängen
der Vergangenheit - ein erfolgreiches Konzept. Und die Anstalten sind gut
beraten, auf Jugendliche zuzugehen. Die jungen Zuschauer laufen den Anstalten
nach wie vor weg. Insofern muss erst einmal ein Konzept auf den Tisch, dann kann
eine Beurteilung erfolgen.

Den vor etwa 20 Jahren erdachten Digitalkanälen fehlen die
Zuschauer.

Beermann: Sie sind in der Tat verzichtbar. ARD und ZDF haben die
Kanäle zu einer Zeit entwickelt, als es andere Vorstellungen von Fernsehen gab.
Auch der Sportkanal und Theaterkanal gehörten zu diesen Projekten. Das Internet
ist darüber hinweggegangen. Jetzt sind die Digitalkanäle Reliquien aus einer
vergangenen Zeit, die im Jahr über 90 Millionen Euro kosten. Die Zuschauerzahlen
liegen hingegen irgendwo im Messfehlerbereich mit einem Marktanteil von 0,2 bis
0,5 Prozent. Also müssen wir die Realität der Entwicklung anpassen und die
Kanäle beenden. Dafür müssen die Bundesländer die Staatsverträge neu
justieren.