Essen. „In aller Freundschaft“ lässt amd Dienstag zum 500. Mal die Operationslampen leuchten. Wer hätte das gedacht – bei den steifen Kitteln und seifigen Dialogen?
Es gibt Menschen, die kennen die Heilmanns besser als ihre eigene Verwandtschaft. Welchen Verwandten sieht man auch schon jede Woche? Die Heilmanns aber sind jeden Dienstagabend pünktlich um fünf nach neun zu Gast im deutschen Wohnzimmer. Dass „In aller Freundschaft“ (ARD) heute zum 500. Mal die Operationslampen leuchten lässt – wer hätte das gedacht?
Als dieses freundliche Personal der Sachsenklinik zum ersten Mal nach Skalpell und Bettpfanne griff, hat wohl mancher geunkt: schlechte Prognose. Steife Kittel, seifige Dialoge. Ein Chefarzt ohne Clooney-Faktor. Und dann Pia, Friseurin, Chefarzt-Gattin und Übermutti – war sie nicht irgendwie ein bisschen steril im Umgang?
In der Sachsenklinik wird am Hirn wie am Herzen operiert
Aber Zuschauer sind einiges gewohnt. Nur ein bisschen also zwickte es, wenn man sah, dass es in diesem Leipziger Operationssaal zuging wie im Kessel Buntem. Hier wird am Hirn wie am Herz operiert. Hier ersetzt man Hüften, entfernt Magengeschwüre, setzt Bypässe ein oder punktiert die Leber. Armbrüche, Mandelentfernungen – ein Arzt für alle Fälle...
Aber sonst, sonst sei alles ganz authentisch, sagen die Serienmacher. Man hätte -zig Berater engagiert, die dafür sorgten, dass alles möglichst echt ist. Mal davon abgesehen, dass die Herz-Schmerz-Tragödien nicht in einer Klinik, sondern im Studio vor die Kamera kommen. Und die Patienten behandelt werden wie in einem Luxus-Hotel.
Eine Art Schwarzwald-Klinik ohne Kuckucksuhr
Solange es Arztserien gibt, so lange gibt es auch die, die sie nicht mögen. Doch trotz aller Vorbehalte hat sich Chefarzt Roland Heilmann (Thomas Rühmann) mit dem Normalo-Charme zum Blockbuster durchoperiert. Mit über 6,2 Millionen Zuschauern gehört das laufende Jahr zum besten Jahr, jubelt die ARD. Doktor Roland Heilmann erreicht mit seiner betretenen Miene, wenn er wieder mal seinen Hochzeitstag vergisst, mehr Zuschauer als „Dr. House“ von RTL, der immerhin Kult ist, aber nur auf etwas über drei Millionen Zuschauer kommt.
Diejenigen, die das ganze hospitale Vergnügen für eine Art Schwarzwald-Klinik ohne Kuckucksuhr halten, müssen jetzt ganz tapfer sein. Denn längst nicht jeder, aber immerhin Millionen in all den Jahren, hat dieses Stammpersonal ins Herz geschlossen. Was beweist, dass die Serie funktioniert. Die Menschen lieben das Gegenstück zur Wirklichkeit: Hier sitzt der Doktor noch am Patientenbett! Einsame Herzen werden verbunden – und ansonsten haben auch die Halbgötter in Weiß die gleichen Probleme wie wir, von Schneeschippen bis Wohnungsbrand.
Sie sind uns vertraut
Die Durchschnittlichkeit ist das Rezept der Sachsenklinik. Hier sind keine Herzensbrecher am Werk, sondern Leute, die so sein sollen wie wir. Niveau ist anderes, aber der Mix wirkt wie eine gute Fußsohlenreflex-Massage: Leben retten, Abwasch, Seitensprung, das reicht für einen Abend in der Woche.
Über die Jahre ist man vertraut geworden: Kennt jede neue Frisur, jeden Lover von Frau Dr. Globisch. Sieht, dass selbst Schwester Yvonne über die Jahre ein bisschen Glanz eingebüßt hat. Und hat daraus lernen können, mit welch diplomatischem Geschick sich Oberschwester Ingrid den Professor angelte. Ach, der Professor (Dieter Bellmann). Hat auch ordentlich Falten gekriegt. Heute feiert Simoni Jubiläum. Wie passend!