Essen.. Früher waren die Gewinner von Gameshows „nur“ Sieger, heute sind sie wie bei GNTM „Topmodels“ oder aber „Superstars“ und „Supertalente“. Mit selbst erfundenen „Adelstiteln“ züchten sich Privatsender Maskottchen heran. Ein Kommentar.
Kennt noch jemand den „schönen Consul“? In den 80er Jahren verkaufte er Titel und Orden. Man konnte Sonderbotschafter von Swasiland werden, Honorarkonsul von Bolivien und Ähnliches. Manchmal waren auch Länder dabei, die es gar nicht gab, wie das Fürstentum Thomond. Vom schönen Consul, der eigentlich Hans-Hermann Weyer heißt, hört man nicht mehr viel. Von fiktiven Titeln dafür umso mehr.
Die neuen Adelstitel werden im Fernsehen vergeben. Sie heißen „Superstar“, „Topmodel“, „Supernanny“, „Würstchen-“ oder „Dschungelkönig“, in absteigender Reihenfolge. Ähnlich wie „Fürst von Thomond“ sind sie weitgehend fiktiv. Das heißt, in der Branche, auf die sie sich beziehen – Mode, Musik, Pädagogik – sind sie nicht anerkannt bzw. wertlos. „Echte“ Models, Musiker oder Pädagogen schauen auf sie herab, so wie der echte Adel auf den gekauften von Consul Weyer herabguckt.
Prädikat Topmodel
Das heißt allerdings nicht, dass diese Titel keine Anziehungskraft hätten. Im Gegenteil. Sie sind das wichtigste Lockmittel von Castingshows. Das Prinzip ist so einfach wie schlau: Statt die Kandidaten „nur“ zu Gewinnern einer bestimmten Sendung zu erklären, verleiht man ihnen ein Prädikat, das darüber hinaus zu gehen scheint. Heidi Klum sucht bei Germany’s next Topmodel nicht irgendein Model, sondern „das“ Topmodel - diesmal ist es Jana Beller aus Haltern. Dieter Bohlen wiederum kürt keine Musiker, sondern „den“ Superstar. Wie bei Highlander kann es immer nur einen, bzw. eine, geben.
Das Versprechen von Sendungen wie Germany’s next Topmodel (GNTM) oder Deutschland sucht den Superstar (DSDS) ist nicht die Karriere in einem bestimmten Arbeitsbereich, sondern die Verleihung eines gesellschaftlichen Status. Dazu passt, dass die Sieger der Castingshows ihr Geld langfristig natürlich nicht in der Mode-, Musik-, Pädagogik- oder Gastro-Branche verdienen. Sie zehren vielmehr von der Strahlkraft ihres Titels. Wenn sie Glück haben.
TV-Adel bei Privatsendern
Die Haupteinnahmequelle von Topmodels und „Superstars“ ist in der Regel die Anwesenheit, das Rumstehen mit Sektglas auf irgendeinem Event. So wie die Anwesenheit des Fürsten einst dem Dorffest Glamour verlieh, so soll die Präsenz von TV-Adel Filmpremieren, Autohaus-Eröffnungen, Charity-Events etc. aufwerten. Und wenn alle Stricke reißen, bleibt immer noch ein Platz in den vielen selbstreferentiellen TV-Shows der Privaten. Da sitzt der „Dschungelkönig“ im „Promi-Dinner“, das Topmodel von einst in der Quizshow und das „Supertalent“ als Talkgast im Jahresrückblick.
Für die Privatsender ist die Produktion von TV-Adel ein wichtiger Teil der eigenen Recyclingkette. Die Sieger der Castingshows bilden gewissermaßen die Reservebank, von der man endlose und spottbillige Spin-Off-Sendungen besetzen kann. (Der Inbegriff dieses Prinzips sind Retro-Sendungen wie „Die 90er Show“, in der das Personal längst verblühter Formate noch mal ran darf und vor der Bluebox erklärt, wie „kultig“ die Hose von MC Hammer war.) Auch hier sind die „Adelstitel“ Teil des Tricks. „Superstar 2006“ liest sich auf der Gästeliste des Promi-Dinners besser als „Gewinner der Gesangsshow XY vor fünf Jahren“.
Komische Titel wie Würstchenmillionär
Ein Abebben der Casting-Welle ist derzeit nicht in Sicht, und so werden in Zukunft eher noch mehr TV-Könige und -Fürsten gekürt. Das hat unfreiwillig komische Folgen. Da die Edelberufe langsam belegt sind, werden neuerdings auch Branchen geadelt, deren Sozialprestige man für eher gering halten würde. So wurde auf Kabel 1 unlängst der „Würstchenmillionär“ gesucht. Vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir den „Lockenkönig“ (Frisör-Casting) oder den „Rasenbaron“ (Gärtner) sehen.