Essen. In dem Familienfilm „Auf dem Grund“ spielt Claudia Michelsen eine Frau, die ein dunkles Geheimnis aus ihrer Vergangenheit aufzuspüren versucht
Wer einen Familienfilm sehen möchte, der erwartet in der Regel ein Genre, in dem sich oft Humor und Ernst miteinander verbinden. Aber es gibt auch ganz andere Familienfilme. Solche, in denen abgerechnet wird oder in denen auf einmal ganz neue Dinge zutage kommen. Wie in diesem Fall, in dem es um eine Frau geht, die ein schweres Schicksal mit sich trägt. Anne (Claudia Michelsen) arbeitet als Schwimmtrainerin in der Provinz. Es ist ein trauriges Dasein für sie, nicht nur, weil sie viele ihrer Möglichkeiten im Wassersport verpasst hat. Es liegt nicht wenig auch an ihrem Mann (Alexander Wüst), der schon seit einiger Zeit fremd geht.
Aber das ist noch längst nicht alles in diesem Film mit dem bezeichnenden Wassertitel „Auf dem Grund“ (Mittwoch, 23. März, 20.15 Uhr, ARD). Da ist die Mutter Inge (Antje Weisgerber), die sich meistens zurückzieht mit ihrem Ekel vor dem Leben, die aber nie versäumt, die Unfähigkeit ihrer Tochter Anne herauszustellen. Annes Schwester Miriam (Karin Hanczewski) wiederum liegt im Clinch mit ihr, weil sie nicht möchte, dass ihre talentierte Tochter Juli in den Schwimm-Zirkus gerät. Und das so kurz vor der Olympia-Qualifikation. Bliebe noch Vater Helmut (Michael Wittenborn), der aber nun gar nichts mehr beitragen kann zur Befriedung der Beziehungen.
„Auf dem Grund“ ist kein normaler Familienfilm mit Kummer und Sorgen
So gesehen wäre dies ein normaler Familienfilm mit Kummer und Sorgen. Doch die beiden Drehbuchautorinnen Susanne Schneider (fünfmal „Bella Block“) und Astrid Ruppert wollen hier sehr viel tiefer bohren, hinein in die Geheimnisse dieser Menschen. Alles kulminiert um Anne herum, denn sie scheint von der Vergangenheit am stärksten betroffen zu sein. Schon in jungen Jahren wurde sie von Panikattacken durchgeschüttelt und hatte damals auch eine Therapeutin. Heute ist es fast noch schlimmer, denn nun sieht sie plötzlich „Dinge, die es gar nicht gibt“. Wie zum Beispiel einen kleinen Jungen, der auf seinem Fahrrad, leicht verschwommen, immer auf der anderen Straßenseite fährt.
Regisseur Thorsten M. Schmidt bewegt sich in diesem Film sehr gekonnt zwischen zwei Ansichten, die auch den Zuschauer gleich zu Anfang in die richtige Richtung weisen. Es beginnt nämlich alles mit einem Zitat von William Faulkner: „Das Vergangene ist nicht tot. Es ist nicht mal vergangen“. Beendet wird dieses Drama später dann mit einer weiteren Erkenntnis: „Ist es nicht verrückt, dass einen die Vergangenheit nicht loslässt, obwohl man sie gar nicht kennt“. Irgendetwas muss wohl vorgefallen sein, damals vor drei, vier Jahrzehnten. Etwas, das die Eltern ihren Kindern stets verheimlicht haben. Und das, obwohl sie mitansehen mussten, dass ihre Anne aus diesem Sommer nur beschädigt herauskam.
Aber was tut man nicht alles, um Dinge zu vertuschen
Aber was tut man nicht alles, um Dinge zu vertuschen. Was kann so schlimm sein, dass man eine Tochter leiden lässt, bis zu den Alpträumen von heute? Es mag ein Wink des Schicksals sein, dass Anne am 70. Geburtstag der Mutter im Keller Dinge findet, die ein langsames Sich-Erinnern auslösen. Sicher, normale Eltern tun so etwas nicht, würden sicherlich die Last nicht so lange tragen können.
Stattdessen werden von der Regie die Wasserkräne geöffnet, um dem Titel gerecht zu werden. Hier blubbert es mal unheilvoll, gibt es Wassereimer im See, im Schwimmbad. Mal löst sich eine Brausetablette, da perlt Duschwasser in Großaufnahme. Und der Vater tappt durch die Pfützen. Weiteres Wasser auch noch in Annes Alpträumen.
(Bewertung: vier von fünf Sternen)