Bochum. .

Autor Oliver Uschmann erzählt im Interview bei Bochum Total, warum das Ruhrgebiet für ihn mehr ist als Trinkhalle, VfL und Jogginghose bedeutet und warum sein aktuelles Buch einige Leser zum Weinen bringen wird.

Was verbindest du mit Bochum Total?

Oliver Uschmann: Früher Besuche als Besucher. Als Jugendlicher mit viel Suff und Pogo. Bei meinem idyllischten Bochum-Total-Besuch war ich allerdings ganz allein. Da hab ich im Biermannsweg gewohnt und bin - fleißig, fleißig – dahin gejoggt, hab mir dann schön verschwitzt ein kühles Bier geholt und mir Seeed angeschaut. Dann bin ich zurückgejoggt. Die Hälfte zumindest, dann hab ich aufgegeben. Den Rest bin ich spaziert. Toller Sommertag. Und jetzt bin ich seid ein paar Jahren auf der Bühne.

Was gefällt dir eigentlich besser: im Publikum zu stehen – oder auf der Bühne?

Mittlerweile natürlich auf der Bühne. Ich würde auch nicht zur „Rock am Ring“-Bühne Nein sagen.

Was ist den dein Lieblingsfestival?

Das war eigentlich immer das Jazz-Festival in Moers. Die Atmosphäre in diesem Stadtpark war einfach ungewöhnlich. Ich hab es hinbekommen, die ganze Zeit unfassbar viel zu trinken und trotzdem in aller Seelen-Ruhe das Programmheft mit seinen klugen Aufsätzen zu lesen und dann noch Bildungserlebnisse zu haben. Das war immer eine ganz interessante Abwechslung zwischen der Musik und dem Campingplatz-Chaos.

Was bedeutet das Ruhrgebiet für dich?

Schon ein Heimatgefühl. Ich komme ja aus Wesel – das zählt ja noch als äußerster Rand des Ruhrgebiets. Und mit Bochum, wo ich studiert habe, werde ich immer ein ganz intimes und heimeliges Gefühl verbinden. Auch wenn die Studienzeit nicht immer die einfachste war und die Uni nicht die schönste ist, hat man nostalgische und warme Gefühle dafür. Ruhrgebiet ist auf jeden Fall mehr als Trinkhallen und VfL.

Was verbindest du mit den Menschen im Ruhrgebiet?

Subkultur und politische Szene. Irgendwie scheint hier jeder Projekte hier zu haben. Aber anders als in Berlin. Keine neue IT-Firma, eher Kultur-Beton-Underground-Projekte. Konzerte in kleinen Clubs. Theaterstücke an ungewöhnlichen Orten. Das verbinde ich eher mit dem Ruhrgebiet, als den klassischen Jogginghosenträger, der sich ein Bier am Kiosk holt.

Was wünscht du dem Ruhrgebiet zum Kulturhauptstadtjahr?

Dass eben dieses sympathische Kultur-Flickenteppich-Image gefestigt wird. Ohne, dass es allzu hip wird. Eigentlich passt Ruhrgebiet und Hype ja auch nicht zusammen.

Du liest bei Bochum Total aus deinem aktuellen Buch Feindesland. Warum geht’s da?

Hartmut und Ich sind nach Berlin gezogen, weil sie pleite sind und da angeblich die Jobs auf der Straße liegen. Und sie erleben mehrfache Bedrohung. Gangsterkids in Wedding, Schutzgeldmafia. Es gibt aber auch Bedrohungen, weil der Staat ausflippt. Es ist das böseste Hartmut-Buch, mit einem Ende, das viele schockiert, fertig macht und zum Weinen bringt.

Wie autobiografisch sind die Hartmut-und-Ich-Bücher?

Es gibt ja kein nicht-autobiografisches Schreiben. Man haut sein Leben wie eine Vase entzwei und baut sie dann neu wieder zusammen, anstatt alles Eins zu Eins zu übernehmen. Man soll auch nur über das schreiben, mit dem man sich auskennt. Die Hartmut-WG hat in Bochum wirklich existiert. Und deswegen haben wir die Wohnung jetzt für eine Ausstellung in Oelde wieder aufgebaut. Da gibt es zum Beispiel Hartmuts Wohnzimmer mit 300 Playstation-Spielen, die VHS-Sammlung - alles funktionstüchtig. Man kann da abhängen, Bierchen trinken. Den Barfußpfad auf der Obstwiese für die Wandelgermanen-Barfuß-Erfahrung. Den Keller mit Spinnweben, Schrott und dem alten Öltank. Und eine Dokumentation über das reale Hartmut-Haus, über seinen Abriss und was da jetzt steht. Die Fans können sich da aufhalten wie Star-Trek-Fans auf einer Messe. Und die bleiben auch stundenlang.

Das ist aber schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn die alte WG in einem Museum nachgebaut wird, oder? Fühlst du dich da zu Hause?

Das ist schon komisch. Einerseits ist es schon wie in meinem alten Wohnzimmer. Aber anderseits bin ich jetzt auch jemand anders. Ich komm auch kaum dazu, einfach mal da abzuhängen und Playstation zu spielen. Leider.

Wenn Hartmut selbst ein Festival organisieren würde, wer wäre da der Headliner?

Hartmut würde ein Experimentalfestival für Freigeist-Kunst organisieren. Animal Collective würden da spielen. Diese verrückte Band, die sich Tiernamen gibt und im kafkaesken Sinne das menschliche Individuum zum Tierischsein aufgibt. Ich seh schon, das klingt unglaublich schwurbelig und intellektuell. Aber so ist Hartmut. Wenn der Ich-Erzähler ein Festival organisieren würde, wär klar: Da spielen Hot Water Music und Jupiter Jones. Emotionale Gitarrenmusik. Bei Hartmut wäre es schwierige Avantgarde mit einem 600-seitigen Beibuch.