Essen/Los Angeles. Hunderte bisher unveröffentlichter Songs sollen im Nachlass von Michael Jackson schlummern. Doch ausgerechnet die erste Single, die nach seinem Tod erscheint, ist geklaut. Paul Anka hat als Mitautor Ansprüche angemeldet

Kaum war „This Is It” am Montag auf der Internetseite von Jackson zu hören, meldete sich Songwriter-Legende Paul Anka. „Jackos” Song sei weder neu, noch von Jackson selbst geschrieben. Jedenfalls nicht alleine. Gemeinsam mit Anka soll das Lied bereits 1983 entstanden sein – damals aber unter dem Titel „I Never Heard”. Ein Hit wurde das Lied allerdings nie. Eine Version mit der lateinamerikanischen R&B-Sängerin Safire floppte 1991.

Plattenfirma gibt schnell nach

Bekommt die Hälfte der Einnahmen der neuen Michael Jackson-Single: Paul Anka. Foto: Imago
Bekommt die Hälfte der Einnahmen der neuen Michael Jackson-Single: Paul Anka. Foto: Imago © imago stock&people

In einem Interview mit dem Onlinedienst TMZ.com behauptet Anka weiter, Jackson habe das Demoband seinerzeit nach den Aufnahmen aus dem Studio gestohlen und den Song später unbenannt. Aus der Luft gegriffen sind diese Vorwürfe offenbar nicht. Denn ohne große Diskussion beteiligte Jackson Plattenfirma Sony Paul Anka gestern mit 50 Prozent an den Einnahmen von „This Is It”. „Wir geben zu, dass Michael und Paul den Song zusammen geschrieben haben", heißt es in einer Erklärung der Plattenfirma.

Jackson ist nicht der einzige, der sich musikalisch bei anderen bedient hat. Schier endlos ist die Liste geklauter Songs oder Songteile. Das beginnt beim so genannten „Sampling”, der musikalischen Neuverarbeitung konservierter Töne, geht über das „ausleihen” einzelner Gitarrenriffs bis hin zum kopieren ganzer Tonfolgen. Robbie Williams bettete seinen Song „Millenium” auf Fragmente der Titelmusik zum James Bond-Film „Man lebt nur zweimal”. Madonna (Foto oben) baute – allerdings mit Genehmigung – in ihre Single „Hung Up” Auszüge aus dem Abba-Hit „Gimme Gimme Gimme”ein.

Aus zwei mach eins

Auch an „All Summer Long”, dem Hit des Jahres 2008, war wenig neues. Interpret „Kid Rock” hatte einfach Lynyrd Skynyrds „Sweet Home Alabama” mit dem in Deutschland weniger bekannten „Werwolves Of London” von Warren Zevon gemischt – gab das aber auch zu. Und wer sich die aktuelle Nummer vier der deutschen Hitparade anhört, in dem Bohlen-Schützling Mark Medlock sein „Baby Blue” besingt, fühlt sich schnell an den 1977er Disco-Klassiker „Standing In the Rain” erinnert.

Immer öfter müssen sich Gerichte mit Plagiatsklagen befassen. So forderte der US-Gitarrist Joe Satriani Schadenersatz von der Band Coldplay, weil ihn der Hit „Viva La Vida” der Briten stark an seinen Song „If I Could Fly” erinnerte. „Zufall”, behauptet Coldplay-Sänger Chris Martin, der den Song nach einer nächtlichen Eingebung am Klavier komponiert haben will. Außerdem, so Martin weiter, gebe es nun mal nur acht Noten in einer Oktave. Ähnlichkeiten seien da irgendwann kaum noch zu vermeiden.

Niederlage für Ex-Beatle

So ähnlich wollte sich bereits in den 1970ern George Harrison herausreden. Die damals schon längst vergessene Mädchenband „The Chiffons” hatte ihn vor Gericht gezogen, weil Harrisons Welthit „My Sweet Lord” für sie stark nach ihrem eigenen Hit „He's So Fine” klang. Nach jahrelangem Rechtstreit verlor der Ex-Beatle und musste rund 1,5 Millionen Dollar zahlen. Als Reaktion darauf veröffentlichte er 1976 die Single „This Song”, in der es heißt: "Dieses Lied verstößt nicht gegen irgendein Copyright. Soweit ich weiß."

In Zukunft werden abgekupferte Melodien möglicherweise noch schneller als Plagiate erkannt als heute. Denn britische Forscher haben vor einigen Tagen eine neue Software vorgestellt, die in der Lage sein soll, Musikstücke zu untersuchen und miteinander zu vergleichen, um auffallende Parallelen zu finden. Das Internetforum „Plagiate Pranger” listet bereits jetzt vermeintliche Verstöße gegen die Urheberschaft auf.