Köln. Die Kings of Leon bringen Retrorock auf große Bühnen. Drei Brüder und ihr Cousin verkaufen Stadien aus und schnappten AC/DC den Brit Award weg. In Köln spielten sie vor 700 und tags darauf vor 4000 Fans.

Wenn Konzerttickets bei Online-Auktionen schon das Portmonee des Verkäufers mit 500 Euro Stückpreis zum Rocken bringen, dann ist die Kapelle, um die es geht, wohl auf den Spuren der Stones. Ob die Behauptung haltbar ist oder nicht – die Kings of Leon, vier Jungs aus Nashville, Tennessee, haben mit ihrem vierten Album „Only By The Night" das Stadium Stadionrock geentert. Vom krachig-rohen Southern-Rock-Sound, der ihnen in der US-amerikanischen Heimat das Etikett der „Southern Strokes" – als Gegenpol zu The Strokes aus New York – einbrachte, haben sich die Brüder Caleb, Nathan und Jared Followill gemeinsam mit Cousin Matthew seit der Bandgründung 2000 zunehmend verabschiedet. Jetzt ist noch mehr Platz für hymnische Melodien, groovenden Rhythmus und Rock, der direkt nach vorn geht. Wie gemacht für große Bühnen.

Nur zwei Gastspiele in Deutschland, eins in Köln, das andere in Berlin, hatten die Followills für Februar angesetzt und die Tickets waren ganz schnell weg. Gegen großen Fanfrust halfen am Ende keine Tränen, sondern etwas Glück. 700 Zuschauer durften die Kings of Leon beim Zusatzkonzert im Kölner Gloria Theater erleben. Die Welle 1 Live hatte zum Radiokonzert geladen, einen Tag vor dem ausverkauften Gig im Kölner Palladium (Fassungsvermögen: 4000). Radiokonzert-pünktlich nahm die Band die Bühne um kurz nach neun. Eröffnungssong, Track zwei auf dem aktuellen Album: „Crawl". Das geht den Zuhörern dann auch gleich von den Ohren in die Beine, das Publikum feiert von der ersten Minute an. Die Followills, ganz Megastars, sind wortkarg, bleiben cool und reserviert, wenn auch nicht überheblich. Mal durchschreddern, mal zerschneiden dabei Sänger Calebs Vocals die Luft, während aus seinem aufgeknöpften Karo-Flanellhemd der Kreuzanhänger blitzt. Die Vier klingen live so gut wie ihr Ruf. Ro ck verspielt, rau, mit Sexappeal, nicht nur wegen der Texte über, na ja, Sex.

Testosteron pur

Das ist auch der Masse nicht entgangen. Die Testosteron-strotzende Single „Sex on Fire" schoss auf Platz eins der britischen Charts, der Longplayer folgte. Auf den Brit Awards hat das Quartett kürzlich AC/DC, Killers, MGMT und die Fleet Foxes ausgestochen und ging mit gleich zwei Trophäen nach Hause. Die machen sich im Regal, zuhause auf der heimatlichen Ranch in Nashville, gut neben dem Grammy. In Köln servieren die Followills in knapp 70 Minuten ein gut geschnürtes, treibendes Set mit einem Querschnitt aus vier Alben. Da fehlen weder Klassiker wie „Molly's Chambers" noch neue Hit-Kandidaten wie „Closer", bei dem Matthew mit einer Jimi-Hendrix-verdächtigen Zungeneinlage an seiner Gitarre brilliert. Drummer Nathan, der Älteste im Followill-Clan, fabriziert indes gigantische Kaugummiblasen.

Und dann, Publikumsansprache vor dem neunten Song: „Feel free to sing along", es darf mitgesungen werden, im Radio sind schließlich alle zu hören. Bei „Sex on Fire" lässt sich das keiner nehmen. Kurz darauf: „On Call", der Hit-Single vom letzten Album „Because Of The Times".Verdientermaßen als erste Zugabe platziert: „Knocked up", sphärische Träumerei mit handfesten Riffs. „Black Thumbnail" setzt den Schlusspunkt. „God bless you", die Fans gehen mit dem Segen der Kings – benannt haben sie sich nach dem Vater der drei Brüder: Leon, dem Hippie-Prediger. Der WDR-Rockpalast strahlt das Konzert im Gloria übrigens am 22. März aus.

Tag 2: Schwitzen, Drängeln, Haare Schütteln

Einen Abend später... Das Palladium platzt aus allen Nähten. Aus England und der Niederlande sind einige gekommen, um die Band zu sehen. Hektik, Schwitzen, Drängeln. Und wieder lassen sich die Kings of Leon nicht lumpen, pünktlich starten sie ihren zweiten Kölner Auftritt - diesmal sind fast sechsmal so viele Fans da wie am Vortag im Gloria. Die Setlist baut auf das selbe Gerüst. Die Menge aber ist deutlich euphorisierter als im gediegenen Rahmen des Vorabends. Hier sind nun auch welche von denen, die dreistellige Beträge investiert haben, um die Band aus Nashville zu sehen. Das Publikum ist deutlich älter, größtenteils männlich. Rock'n'Roll. Und den Auftrag nehmen auch die auf der Bühne heute ernster. Denn heute gehört zur Rock-Show auch ein bisschen mehr Schwitzen und Haare-Schütteln. "You're amazing" - ihr seid großartig, bricht es gleich mehrmals aus Caleb heraus. Ohne die Fans wären wir ja gar keine gute Band. Dass sie das aber wirklich sind, zeigen Balladen wie "Cold Desert" - fulminant kurz vor Ende der regulären Spielzeit und "Revelry", für die beim Radiokonzert keine Zeit war.

Und dann bricht dem coolen Priestersohn doch zum Ende hin und wieder die Stimme. Endlich, möchte man denken. Denn vorher klang alles einfach genauso perfekt wie auf der Platte. Und jetzt fällt es noch leichter zu bilanzieren: Großartige Live-Band, die auch richtig Spaß bei dem hat, was sie da tut.

Amen.