Essen. Mit „Bankrupt!“ hat die französische Band Phoenix aus Versailles ihr nunmehr fünftes Studioalbum veröffentlicht. Im Interview spricht Phoenix-Frontman Thomas Mars über seine Band, sture Landsleute und die Ehe mit Regisseurin Sofia Coppola.

Vier Jahre sind vergangen, seitdem Phoenix ihr letztes Album „Wolfgang Amadeus Phoenix“ veröffentlichten, mit dem die französische Rockband auch in Amerika den großen Durchbruch schaffte.

Sänger Thomas Mars ist mittlerweile nach New York umgesiedelt, wo er ein zweites Kind mit Filmregisseurin Sofia Coppola bekommen hat. Katja Schwemmers sprach mit ihm über das neue Album „Bankrupt“.

M. Mars, Ihre Band Phoenix wurde bei der Grammy-Verleihung 2010 mit dem Preis für das „Beste Alternative Music Album“ geehrt. Hat Ihnen das etwas bedeutet?

Thomas Mars: Sagen wir so: Ich hatte das erst nicht erwartet. Aber eine Stunde vor der Veranstaltung fing ich plötzlich an, es für wahrscheinlich zu halten, weil alle dort waren: die Freundinnen, der Manager, die Freundin des Managers, der Chef der Plattenfirma, der Sohn des Chefs der Plattenfirma. Mich beschlich das Gefühl, dass es ein echtes Problem sein könnte, wenn wir nicht gewinnen, weil man sonst allen den Abend versaut. Insofern war ich glücklich, dass wir den Grammy bekommen haben.

So oft kommt es ja auch nicht vor, dass dort eine französische Gruppe ausgezeichnet wird.

Mars: Nein, wir sind in der Unterzahl. Diese Veranstaltung hat auch nichts mit uns als Band zu tun, aber trotzdem war es lustig, es mal aus der Nähe gesehen zu haben. Es ist so, als würde man in seinen eigenen Fernseher kriechen! Da sind so viele Berühmtheiten, dass irgendwie niemand mehr wichtig ist. Das macht es sehr entspannt und lustig. Einer von uns saß direkt hinter Gitarrengott Slash. Er konnte überhaupt nichts sehen von der Show, weil er ständig dessen Hut und Lockenmähne vor der Nase hatte.

Und wenn der eigene Namen fällt, ist das dann ein surrealer Moment?

Mars: Erst mal muss man sich mit den Leuten, die nicht gewonnen haben, diese peinlichen High-Fives geben. Sobald man die Bühne verlassen hat, wird man fotografiert. Und dann nehmen sie dir den Preis, den sie dir gerade gegeben haben, sofort wieder weg. Der Richtige kommt dann sechs Monate später via Post ins Haus. Das ist Amerika!

In Ihrer Heimat Frankreich hatte Ihre Band noch nie eine Nummer Eins. Hat der Erfolg in den USA Ihre Landsleute wach gerüttelt?

Mars: Die Franzosen haben keinen großen Rummel darum veranstaltet, und wir haben keine Ehrenrunde drehen müssen. In Frankreich hat viel mehr Eindruck gemacht, dass wir mit unseren Nachbarn Daft Punk im Madison Square Garden in New York gespielt haben. Bei dem Doppel-Konzert wünschten sich alle Franzosen, dabei zu sein. Das war ein großes Thema in Frankreich. Aber der Grammy schert die Franzosen nicht. Er repräsentiert nichts, was sie interessieren könnte.

Die Franzosen sind sehr beschützend, was ihre Kultur betrifft. Werden Sie dort ignoriert, weil Sie in Englisch singen und nicht in Ihrer Muttersprache?

Mars: Es hat sicherlich damit zu tun. Ich erinnere mich daran, wie wir das legendäre Coachella Festival in Kalifornien als Headliner gespielt haben. Alle Auftritte wurden im Fernsehen gezeigt, nur unserer nicht. Irgendwas scheint da gegen uns zu laufen. Aber wir leben gut damit. Wir verurteilen das nicht. Wir mögen unsere Position, die Außenseiter zu sein!

Sind Sie denn wenigstens in Amerika die sexy Franzosen?

Mars: Alles was aus Frankreich kommt, ist dort generell sexy. Ob das nun ein guter Wein ist oder Musik. Insofern sind Phoenix wohl sexy oder zumindest exotisch. Ich glaube aber nicht, dass sie dort jedes Wort verstehen, das ich singe – auch wenn es eigentlich Englisch ist. (lacht)

Anders als die anderen Bandmitglieder von Phoenix sind Sie mit Ihrer Frau, Film-Regisseurin Sofia Coppola, von Paris nach New York umgezogen. Werden Sie dort oft angesprochen?

Mars: Nein, es ist ein sehr leichtes Leben für uns. Und es ist eher so, dass ich nicht weiß, wo ich hingehen soll, wenn ich in New York Aufmerksamkeit brauche.

Ihre Musik wird gern in Filmen und Serien eingesetzt. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Phoenix bei Regisseuren so gut ankommen?

Mars: Nicht wirklich. Vielleicht, weil wir Atmosphären kreieren. Es ist auf jeden Fall schön, dass es passiert. Wenn du so viel Zeit damit verbringst, Musik zu machen, ist es sehr befriedigend, wenn sie sich überall hin verteilt – wie Tinte im Wasser

Auf dem neuen Phoenix-Album „Bankrupt!“ scheint es viel um Ruhm und Krisen zu gehen. Der Ausgangspunkt dafür sollen die Dreharbeiten zu „Somewhere“ gewesen sein, dem Film Ihrer Gattin Sofia Coppola, für den Ihre Band auch die Musik gemacht hat. Ist da was dran?

Mars: Zumindest habe ich deshalb vier Monate auf dem „Chateau Marmont“ in Los Angeles gewohnt, einem Alters-Ruhesitz für Hollywood-Schauspieler – denn dort hat Sofia den Streifen gedreht. Wenn es mich beeinflusst hat, dann eher auf die Art, dass ich das Erlebte und die außergewöhnlichen Charaktere, auf die ich dort traf, als Fotos und Filme in meinem Kopf abgespeichert habe. Es klingt vielleicht blöd: Aber das reale Leben ist mir viel zu real, um es direkt in unsere Musik oder Texte zu übernehmen. Das ist ein bisschen wie bei Andy Warhol, der sagte: „I never read, I just look at pictures.“

Welche Bilder haben sich Phoenix für die neue Platte angesehen?

Mars: Wir haben viele obskure, billige Late-Night-Shows vom Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger auf Youtube geguckt: Italienische Oldschool-Sendungen mit Franco Battiato zum Beispiel, in denen die Musiker zum Playback mimten und kleine Mini-Musikvideos entstanden. Wir haben auch deutsche Shows angesehen wie alte Folgen von „Musikladen“ zum Beispiel, wo noch Gogo-Girls durchs Bild hüpfen.

Flirten Sie deshalb auf Ihrer neuen Platte mit den Achtzigern?

Mars: Ich denke schon. Zumindest haben wir uns daraufhin Drumcomputer aus den Achtzigern zugelegt. Und auf Ebay haben wir eine Aufnahme-Konsole ersteigert, mit der schon Michael Jacksons Album „Thriller“ gemacht wurde. 17.000 Dollar hat uns der Spaß gekostet, das war fast schon ein Schnäppchen! Wir zogen sogar in Erwägung, unser Album „Alternative Thriller“ zu nennen! (lacht)

Auf dem Album singen Sie auch eine Ode auf den Achtziger-Männerduft „Drakkar Noir“. Warum eigentlich?

Mars: Für mich als Franzose muss ein Parfüm die besten Essenzen von allen beinhalten. Doch der Duft ist genau das Gegenteil: Er ist billig. Der Flakon ist hässlich. Man bekommt ihn nicht mal mehr im Duty-Free. „Drakkar Noir“ ist also ein Song über Durchschnittlichkeit – und wie einfach es ist, sich davon fernzuhalten – in dem man beispielsweise nicht dieses Parfüm kauft.

Riecht es denn wirklich so scheußlich?

Mars: Nun, ich habe es noch nie ausprobiert. Aber ich hätte Angst davor.