Berlin. Werden die Kastelruther Spatzen das “Milli Vanilli“ der Volksmusik? Schummelvorwürfe eines Wegbegleiters bringen die Volksmusik-Stars und ihre Produzenten in Bedrängnis: Bei CD-Aufnahmen spielten die Musiker ihre Instrumente nicht selbst, heißt es. Fans der Gruppe sehen die Vorwürfe gelassen. Und es gibt Rückendeckung - ausgerechnet von Frank Farian, dem Milli-Vanilli-Produzenten.

Mit den Kastelruther Spatzen sieht sich eine der erfolgreichsten Volksmusikgruppen Schummel-Vorwürfen ausgesetzt. Ein langjähriger Wegbegleiter wirft den Musikern vor, bei den CD-Aufnahmen nicht selbst die Instrumente zu spielen. "Der Erfolg der Band ist auf einem Riesenschwindel aufgebaut", sagte Walter Widemair der "Bild"-Zeitung. Die Plattenfirma der Spatzen verwies auf branchengängige Produktionsprozesse. Die Band selbst warf ihrem früheren Komponisten und Arrangeur Eigeninteressen vor. Die Fans der Volksmusik-Stars reagierten gelassen.

"Nur die Stimme von Sänger Norbert Rier ist echt. Sonst nichts", sagte Widemair der Zeitung. Studiomusiker hätten die Alben eingespielt. Er habe den Betrug immer für sich behalten, könne mit dieser Lüge nun jedoch nicht länger leben. "Der Erfolg der Spatzen, ihre Gold- und Platin-Auszeichnungen, die 13 Echos - alles ist erschwindelt", fügte er hinzu.

"Weltweit und über alle musikalischen Genres üblich"

Die Plattenfirma der Gruppe teilte mit, wie bei allen professionellen Produktionen seien auch bei den Aufnahmen für die Spatzen-Alben Studiomusiker eingesetzt worden. "Das ist weltweit und über alle musikalischen Genres üblich und rechtfertigt auch den Beruf des Studiomusikers." Die beteiligten Musiker seien immer in den CD-Booklets ausgewiesen gewesen, hieß es in einer Mitteilung von Koch Universal Music weiter.

Die aus Südtirol stammenden Kastelruther Spatzen sind eine der erfolgreichsten Volksmusik-Gruppen und haben Millionen CDs verkauft. Mit dem Musikpreis Echo wurden sie 13 Mal geehrt.

Vor rund zehn Jahren hatte sich bereits Volksmusik-Star Stefan Mross Schwindel-Vorwürfen stellen müssen, weil sein Trompetenspiel angezweifelt wurde. Anfang der 90er-Jahre hatte der Schummel-Skandal um Milli Vanilli die Musikwelt erschüttert. Damals war aufgeflogen, dass das Pop-Duo nur die Lippen zu Songs bewegte, die andere eingespielt hatten.

Spatzen-Fans sehen in Anschuldigungen einen "PR-Gag"

Die Plattenfirma und die Band selbst holten umgehend zum Gegenschlag aus. Koch Universal Music wirft Widemair einen Missbrauch des Vertrauensverhältnisses vor. Dass dieser eine "werbewirksame Schlagzeile für sein Buch nutzt, ist beschämend". Es sei immer Anspruch aller Beteiligten gewesen, die Lieder erstklassig zu produzieren, hieß es. "Die Kastelruther Spatzen haben bei über 3.000 Konzerten einem Millionen-Publikum bewiesen, dass jeder Ton live gespielt wird und dass sie überdurchschnittliche Musiker sind, die ihren Beruf mit größtem Engagement ausüben."

Spatzen-Sänger Norbert Rier sagte: "Es gibt immer wieder Wegbegleiter, die aus Eigeninteressen den Kastelruther Spatzen schaden wollen und das ist für uns eine große persönliche Enttäuschung." Widemair veröffentlicht laut "Bild" in diesem Monat ein Buch über die Gruppe mit dem Titel "Wenn Berge nicht mehr schweigen".

Fans der Kastelruther Spatzen nahmen die Anschuldigungen Widemairs gelassen auf. "Das haut niemanden vom Hocker", sagte Roland Döring, Vorsitzender des Spatzenclubs Nordpfälzer Bergland, der Nachrichtenagentur dapd. Dass Musiker bei den Alben der Spatzen hinzugezogen worden seien, sei seit Jahren in den Booklets nachzulesen. Die nun vorgetragenen Anschuldigungen sind für ihn ein "PR-Gag".

Frank Farian sieht keine Parallelen zum "Milli Vanilli"-Skandal

Auch Musikproduzent Frank Farian nahm die Kastelruther Spatzen umgehend in Schutz. Auch er betonte, es sei "ganz normale Praxis", dass im Studio Musiker ausgetauscht werden. "Und insofern wundere ich mich, dass man sich darüber aufregt."

Der Playback-Skandal um das von Farian produzierte Pop-Duo Milli Vanilli sei etwas vollkommen anderes gewesen, sagte Farian weiter. Bei den Kastelruther Spatzen seien die Studiomusiker in den CD-Booklets ausgewiesen worden. "Das hatten wir damals nicht gemacht, und das war unser Fehler." (dapd)