Essen. Moby war der Bono des Elektro, der es in Sachen Gutmenschentum locker mit dem U2-Frontmann aufnehmen konnte. Nun aber springt er auf andere Trends: „cocooning”, daheimbleiben. Und „do it yourself” – heimwerken. Quasi auf der Couch nahm er „Wait for me” auf.
Ein kleiner Mann, der die große Welt retten will, macht seine Musik zur Mission. Moby war der Bono des Elektro, der es in Sachen Gutmenschentum locker mit dem U2-Frontmann aufnehmen konnte. Die Fans riss er mit Alben vergangener Tage („Last Night”, „Hotel”) gerne mal in ekstatische Tanz- und Rock-Höhen. Lift me up!
Nun aber springt er auf andere Trends: „cocooning”, daheimbleiben. Und „do it yourself” – heimwerken. Quasi auf der Couch nahm er „Wait for me” auf, mit alten Freunden und alten Gerätschaften, die er im Internet ersteigerte, auch da ganz die Sofakartoffel. Allerdings steht die Couch in Manhattans Lower East Side und damit im Zentrum der Szene. Zu Mobys alten Freunden gehören prima Sängerinnen und ein „verrückter Punkrocker”, der Produzent Ken Thomas – die Einflüsse des frühen Punk bei Experimenten mit historischen Verstärkern oder Synthesizern sind wohl ihm zu verdanken.
Sphärisch, getragen und meditativ
Zur Erinnerung: Der frühe Punk war vergleichbar sanft.
Wer versucht, die Platte einzuwerfen und mal eben flott durch die Wohnung zu feudeln, wird scheitern. Sphärisch, getragen, meditativ ist Mobys Neue. Nix für die Masse, betont er. Doch selbst Fans müssen einiges missen, Mobys Stimme zum Beispiel. Viele der Stücke sind instrumental oder eben „von Freundinnen” wohldosiert intoniert.
Allein „Mistake” erfreut mit der ihm so eigenen Melancholie: I never felt this loss before singt Moby, nie fühlte er solchen Verlust. Unterlegt mit Beats, bei denen der Wischmop munter tanzen mag. Der titelgebende Song des Albums aber, „Wait For Me”, zerrt uns endgültig selbst aufs Sofa: Sängerin Kelli Scarr mutet an wie eine hellerstimmige Enya, im Hintergrund rieseln Wasserfall-Klänge. Schön, dunkel.
Der Einzelgänger-Mythos
Die warmen Schatten der Platte illustriert die Video-Animation von David Lynch, die dieser auf Mobys freundliche Bitte hin zu einem der Stücke produzierte. Eine Rede Lynchs über Kreativität und Individualität jenseits des Massenmarktes hatte ja den Elektro-König erst angeregt, Krone, Regentenstab und Gefolgschaft vorläufig beiseite zu lassen. Selbst Cover und Heftchen zur CD malte Moby selbst: Ein Marsmännchen staunt riesenäugig über kargen Hügeln. Irgendwie – süß.
Der Einzelgänger-Mythos aber bleibt Moby bei aller Anstrengung verwehrt. In einer Krisenzeit, in der städtische Menschenmassen Marmelade kochen, Deckchen häkeln und ihr Gemüseglück in Schrebergärten herausfordern – da bewegt sich die aufs Wesentliche eingedampfte, selbstgestrickte und selbstbeackerte Platte doch wieder mitten im Strom.