Köln. .

Samstagabend kamen in der Kölner Lanxess-Arena 15.000 Fans in den Genuss einer Live-Darbietung von Shakira und ihrer Band. Und Shakira war diesmal nahezu perfekt.

Am fehlenden Kleingeld kann´s nicht liegen. Eine Frau, die 73 Millionen Tonträger verkauft hat, ist durchaus in der Lage, sich einen anständigen Friseur zu leisten. Dass Shakira Isabel Mebarak Ripoll es trotzdem vorzieht, ihre blonde Mähne so strähnig und zottelig zu präsentieren, als käme sie gerade aus dem Bett und hätte die Bürste noch nicht gefunden, wobei man am Scheitel ganz deutlich den dunklen Haaransatz sieht, muss also einen anderen Grund haben. Und auch darüber, dass die Tochter eines Amerikaners libanesischer Herkunft und einer Kolumbianerin mit katalanisch-spanischen Wurzeln fast zehn Jahre nach ihrem internationalen Durchbruch noch immer kein vernünftiges Englisch spricht, kann man sich wundern. Womöglich ist beides Kalkül. Um einem sonst absolut perfekten Geschöpf im Showgeschäft ein Quäntchen Unvollkommenheit hinzuzufügen.

Samstagabend kamen in der Kölner Lanxess-Arena 15 000 Fans in den Genuss einer Live-Darbietung von Shakira und ihrer Band. Dabei hatten die Kölner mehr Glück als die Frankfurter. Dort fiel das für den 8. Dezember geplante Konzert aus, weil die Künstlerin wegen des Schneefalls nicht aus Paris wegkam. Köln war somit, nach München (3.12) und Berlin (9.12.), dritte Station in Deutschland und markierte zugleich den Abschluss der „The Sun Comes Out“-Tour in hiesigen Breiten. Während die Frankfurter noch dem Nachholtermin 2011 entgegenfiebern, durften sich die Kölner gut 100 Minuten lang verwöhnen lassen.

Für Rollenspiele ist genügend Platz

Wer Shakira bereits vor acht Jahren in der Arena bei ihrem Deutschland-Debüt erlebt hatte, stellte fest, dass sie viel dazu gelernt hat. Ihre Show ist nicht mehr annährend so kitschig und sexuell überfrachtet wie damals. Jenseits der 30 scheint die Künstlerin begriffen zu haben, dass weniger mehr ist. Statt für einen andauernden Kostümwechsel investiert sie lieber mehr Zeit für die Vorstellung ihrer hervorragenden Band. Für Rollenspiele ist dennoch genügend Platz. Man begegnet einer Nonne, wie sie Las Vegas ersonnen haben mag, mit pinkfarbener Kapuze, die hoch erhobenen Kopfes durch den Innenraum zur Bühnen schreitet, einer modernen Jeanne D´Arc im silbernen und goldenen Kettenhemd-Top zur knallengen schwarzen Hüfthose und einem Star zum Anfassen, der die Mädels vom Fanclub auf die Catwalk-Plattform holt, um mit ihnen eine Tanznummer vorzuführen. Einer Zigeunerin, wie sie in einer Bodega auftreten könnte, einem schlangenhaften Wesen, das sich um den Mikrofonständer windet, einer Katze, mal angespannt zum Sprung, mal sich wohlig auf einer der Lautsprecherboxen räkelnd. Und einer Odaliske, die mit ihrem orientalischen Tanz jeden Sultan der Welt entzücken würde.

Dass das alles tatsächlich Hochleistungssport ist, merkt man nur in jenen (seltenen) Momenten, in denen sich die 1,57 kleine Shakira eine Pause gönnt und man sieht, wie sich der flache, durchtrainierte Bauch mit jedem Atemzug heftig hebt und senkt. Allein dabei überhaupt zu singen, ist eine Leistung. Und Shakira singt auch noch gut. Auf der Setliste stehen ältere Stücke wie der Gassenhauer „Ciega Sordomuda“ oder der Hit „Ojos Asi“, Songs von der ersten englischsprachigen CD „Laundry Service“, wobei der Kracher „Whenever, Whereever“ schon ganz früh gezündet wird und „Underneath Your Clothes“ viel ausgereifter und stabiler klingt als früher. „Gypsy“ entwickelt im intimen Rahmen von Geige, akustischen Gitarren und Percussion atmosphärisch dichten Zauber, „She Wolf“ jagt das Konzert einem Höhepunkt entgegen. Auch die neue CD „Sale el Sol“, die im Oktober erschienen ist, kommt, etwa mit dem Titelstück oder „Gordita“ und „Loca“ (auf Englisch gesungen) nicht zu kurz.

Shakira überzeugt

Der Mix aus Orient und Lateinamerika, aus Disco und Flamenco, Rock, Pop und Folklore, geht mächtig in die Beine. Oder müsste das eigentlich tun. Aber seltsamerweise tanzen, in den Rängen und im Innenraum, nur die wenigsten. Vielleicht auch, weil das, was die Protagonistin der Show dem Publikum vormacht, in seiner Perfektion zu sehr einschüchtert. Mit drei Zugaben, wobei das umarrangierte „Hips Dont´Lie“ an vorletzter Stelle liegt und der WM-Blockbuster „Waka Waka (This Time For Africa) noch einen weiteren Kontinent ins Spiel bringt, geht der Abend in wildem Jubel zu Ende. Shakira hat diesmal überzeugt. Als Sängerin, als Tänzerin und als Musikerin (Gitarre und Mundharmonika). Sogar einen Großteil ihrer (spanischen) Texte schreibt sie selbst. Da kann man den Friseur und die fehlende Fremdsprachen-Kompetenz getrost vergessen. Falls man das überhaupt soll.