Oberhausen. .

Seit 16 Jahren auf Tour, gern vor Weihnachten: Die Nokia Night of the Proms macht Station in Oberhausen. Da triff Klassik weiter Pop, und immer, wenn es rührselig wird, kommt zum Glück einer wie Kid Creole.

Boy George ist mit der Nokia Night of the Proms auf Tournee. Foto: Andreas Winkelsträter
Boy George ist mit der Nokia Night of the Proms auf Tournee. Foto: Andreas Winkelsträter

Mit gewissem Stolz schmiegt sich die „Nokia Night of the Proms“ an ein berühmtes Vorbild. Vor genau 115 Jahren lud ein gewisser Henry Wood in der Londoner Royal Albert Hall erstmals zu klassischer Musik im ungezwungenen Rahmen. Das Publikum wurde auch ohne Frack zugelassen und durfte vor der Bühne locker rumlaufen, also „promenieren“, und daher nannte man diese Konzerte „Proms“. Der Abschluss der umfangreichen Serie heißt „Last Night of the Proms“ und ist längst weltweiter Kult. Solch Erfolg sucht Gefährten, und so entstand die „Nokia Night of the Proms“. Gern vor Weihnachten zieht diese Show seit immerhin 16 Jahren mit klingendem Schall durchs Land, und dann ist garantiert immer „Last Night“ mit Pauken und Trompeten und festlich gestimmten Gästen, die an besonders romantischen Stellen ihre Taschenlampen im Takt schwingen – beispielsweise in der Oberhausener König-Pilsener-Arena, wo die Proms am Sonntag gastierten.

Orchester-Unterstützung für Pop-Songs

Charlie Siem. Foto: Andreas Winkelsträter
Charlie Siem. Foto: Andreas Winkelsträter

Beim Motto „Classic Meets Pop“, mit dem die Nokia-Truppe dem historischen Vorbild noch eins draufsetzt, zuckt der sensible Musikfreund ja erstmal zusammen. Oft gibt das Schrammen, wenn die beiden aufeinander treffen. Wenn der Heldentenor „House of the Rising Sun“ anstimmt, wird der Wagner-Freund meist grau im Gesicht und dem Animals-Fan kommen die Tränen. Muss aber nicht sein. Es gibt auch in der Klassik-Gassenhauer, die jeder mitpfeifen kann, und jeder gute Pop-Song trägt im Kern eine Melodie, die durch die Unterstützung eines Orchesters erst richtig in Schwung kommt.

„Do You Really Want To Hurt Me” etwa passt also gut ins Programm. Das kennt nun wirklich jeder, und da spielt es auch keine Rolle, dass Boy George nicht mehr so aussieht wie vor zwanzig Jahren. Der Präsident des „Culture Club“ trug einen grünen Hut und sang seinen Hammerhit mit rauchiger Stimme und viel Gefühl, so dass man fast die Kurven und Kanten seiner abwechslungsreichen Karriere herauszuhören glaubte.

Mit Light-Show und Synthesizer-Gesumse und schmachtender Blondine

Kid Creole... Foto: Andreas Winkelsträter
Kid Creole... Foto: Andreas Winkelsträter

Gefühl war überhaupt das Thema an diesem Abend. Charlie Siem, ein britischer Violinist, der gern seinen Proms-Vorgänger David Garrett beerben möchte, fidelte also auch mal mit „Estrelita“ das „Lieblingslied seiner unlängst verstorbenen Urgroßmutter“, und manchmal schicken sie einen an diesem Abend dahin, wo es wehtut: Wenn „Lichtmond“ das „Morgenrot“ mit Light-Show und Synthesizer-Gesumse und schmachtender Blondine nebst brummendem Mongolen beschwört, muss man schon sehr, sehr stark sein. Im Programm nennt man so etwas „Ambient-Pop“. Früher hieß das Kitsch.

...und die notdürftig bekleideten Coconuts Foto: Andreas Winkelsträter
...und die notdürftig bekleideten Coconuts Foto: Andreas Winkelsträter

Doch immer, wenn es rührselig wird, kommt zum Glück einer wie Kid Creole, der mit seinen notdürftig bekleideten „Coconuts“ wirklich großartig war. Auch ohne Aufforderung durch den nassforschen Conferencier Markus Othmer hätten wir uns bestimmt aus den Sitzen gewuchtet und die Hüften zu „Stole Pigeon“ geschwenkt. Kid Creole sang drei Lieder, Boy George vier und Cliff Richard, der wahre Star des Abends, natürlich fünf, darunter nicht nur Gastgeschenke wie „Rote Lippen“, sondern auch Stücke seines aktuellen Albums „Bold as Brass“ mit Swing und Jazz.

Dem ziemlich ausverkauften Haus hat das alles prächtig gefallen. Da die meisten Nokia-Fans Wiederholungstäter sind, freuen sie sich jetzt schon bestimmt auf die nächsten Vorstellungen im Ruhrgebiet, in der Dortmunder Westfalenhalle am 17. und 18. Dezember. Gleich zwei Abende hintereinander, oha: Da braucht die Taschenlampe aber neue Batterien.