Düsseldorf. .

Boybands im Luftschlangenregen, Monrose in Tränen und wandelnde Schokoriegel – wenige Shows bündeln Teenager-Fantasien so sehr wie „The Dome.“ Ein Besuch an der Front.

Das Bistro im Düsseldorfer ISS Dome erinnert an diesem Abend an ein Wildgehege. Hier ist die Spezies versammelt, die man sonst nirgendwo sieht: Erwachsene. Die meisten Tische sind belegt, die Eltern nippen an ihren Bieren und warten. Es wird ein langer Abend, soviel steht fest. Auf der anderen Seite, in der Halle, kreischen sie sich warm, 9000 Fans, davon etwa 8500 Mädchen zwischen 12 und 18 Jahren.

Wer etwas lernen will über ihre Idole, ihre Dresscodes und Verhaltensweisen, ist hier richtig. „The Dome“ ist eine Teenager-Fantasie mit monumentalen Zügen. Drei Stunden lang knallt, zischt und flammt es auf der Bühne, alle fünf Minuten regnet irgendetwas von der Decke. Es ist, als hätte man sich in die Kulissen eines besonders bombastischen Van-Halen-Videos aus den 80er Jahren verirrt.

Verwertungsgesellschaft für Castingbands

56 Mal hat RTL 2 dieses Paralleluniversum bereits inszeniert. Inzwischen ist es ein fest etablierter Wanderzirkus des Pop. Justin Bieber und Lady Gaga hatten hier ihre ersten Deutschland-Auftritte, zusammen mit einer Unzahl von Bands, die in zehn Jahren niemand mehr kennen wird. The Dome ist außerdem so etwas wie eine Verwertungsgesellschaft für Castingbands. Hier werden die Gruppen gezeigt, die zuvor in Shows wie „Popstars“ oder DSDS gewonnen haben.

Eine von ihnen hat heute ihren letzten Auftritt. Sie heißt Monrose. Aus Erwachsenenperspektive betrachtet, ist es eine Sternchenband – bei The Dome wird ihr Ende zelebriert, als ginge es um die Auflösung der Beatles. Immer wieder betonen die Moderatoren, dass man heute einem historischen Ereignis beiwohnt, dem letzten Auftritt von Monrose. Selbst der amerikanische Soul-Star Aloe Blacc muss mithelfen bei der Trauerarbeit. „Sehr schade“ findet er, dass sie nicht weitermachen. Dass er die Band vorher kannte – nicht sehr wahrscheinlich.

Klingelton-Pop und Opernmusik

Blacc gehört zu den Künstlern, die man bei The Dome nicht unbedingt vermuten würde. Sein Song „I Need a Dollar“ erinnert an die besten Tage von Motown. Passend dazu treten Blacc und Band in 70er-Jahre-Klamotten auf. Zwischendurch muss man an die alte Sendung „Soul Train“ denken, in der Schlaghosen-Stars wie Curtis Mayfield oder die Jackson Five legendäre Auftritte hatten. Sicher ein Kompliment.

Ohnehin läuft an diesem Abend nicht nur Klingelton-Pop. Wer hätte zum Beispiel erwartet, hier Paul Potts zu sehen, den nicht gerade als Schwarm der Jugend firmierenden Operntenor? Beinahe noch kurioser wirkt die Show von Alphaville („Big in Japan“). 26 Jahre nach ihrem letzten Hit hat die Band ein neues Album geschrieben, zu ihrer Hochzeit war kaum ein Zuschauer in der Halle überhaupt geboren. Alphaville spielen einen neuen Song und schalten dann zu einem alten. „I want to be forever young“ singt Marian Gold, inzwischen 56, und schaut mit Wehmut ins Publikum. Die Textzeile hat vielleicht noch nie so gut gepasst.

Momente der Niedlichkeit

Und es gibt ja auch Gründe, neidisch zu sein – auf die Bedingungslosigkeit, mit der die Mädchen im Publikum Teenager-Acts wie The Black Pony oder Christian Durstewitz entgegenkreischen, wie sie Gruppenfotos mit 15 Freundinnen schießen und sogar dem wandelnden Schokoriegel applaudieren, der in der Umbaupause die Bühne betritt. Es sind solche Momente der Niedlichkeit, in denen man The Dome seine ganzen Sponsoren-Plakate und den kalkulierten Kitsch verzeiht. Und überhaupt – als am Ende alle Künstler zusammen den alten Weihnachts-Hit „Do They Know It’s Christmas?“ singen, und die Halle im Luftschlangenregen versinkt, hat man dass Gefühl, dass The Dome auch nur „Wetten, dass ...?“ mit anderen Mitteln ist.