Essen. .

Neue Antiquitäten von Bob Dylan mit teils völlig unbekannten Titeln: Frühe Demo-Aufnahmen und die ersten acht Alben im Mono-Format kommen jetzt auf den Markt.

Etwa Mitte 1962 sitzt ein junger Mann von 21 Jahren namens Bob Dylan in einem New Yorker Ministudio und singt. Bei sich hat er nur eine Gitarre und eine umgeschnallte Mundharmonika, manchmal geht er auch ans Klavier. Festgehalten wird das Ganze von einer mit halber Geschwindigkeit laufenden Bandmaschine, denn was hier entsteht, sollen eigentlich nur simple Demonstrationsaufnahmen (Demos) sein für andere Künstler, die bestimmte Titel aufnehmen möchten.

In den nächsten zwei Jahren nimmt Dylan für seinen Musikverlag M. Witmark & Sons auf diese Weise 47 eigene Songs auf, viele anfangs noch mit aufgelesenen Folkweisen versehen, später jedoch immer stärker mit eigenen Melodien ausgestattet. Die rasante Entwicklung, die Dylan in dieser relativ kurzen Zeit gemacht hat, vom Troubadour zum introspektiven Lyriker, kann man jetzt erstmals offiziell auf der Doppel-CD „The Witmark Demos“ (Bootleg Series Vol. 9) nachverfolgen.

Ein „Schlag ins Gesicht“

Was wir hier hören, sind mal 15 völlig unbekannte Titel, die es auf kein späteres Album geschafft haben, mal aber auch Welterfolge in einer beinahe embryonalen Form. So etwas wie „The Times They Are A-Changin’“ etwa, das sich hier, am Piano vorgetragen, völlig neu und frisch anhört. Anfangs ist Dylan noch nervös, vergisst Verse und bricht mitten im Vortrag ab. Doch mit jeder Aufnahme gewinnt er an Selbstsicherheit. Vielleicht auch, weil inzwischen Künstler wie Peter, Paul & Mary, Stevie Wonder oder Judy Collins sich dieser Demos bedienen, um Dylans Songs in den Hitparaden zu platzieren. Kein schlechtes Geschäft.

Korrespondierend zu dieser archäologischen Ausgrabung mit nicht immer optimaler Klangqualität ist gleichzeitig eine Box erschienen, die Dylans erste acht Alben erstmals wieder in ihrer ursprünglichen Mono-Konfiguration präsentiert. Mitnichten ein Rückschritt, denn so wollte der Künstler es ursprünglich haben - Musik und Stimme nicht zerlegt, sondern alles zusammen aus einem Lautsprecher. Kraftvoll, direkt, ein „Schlag ins Gesicht“, wie es Dylan-Kenner Greil Marcus im beigefügten Booklet ausdrückt.