Hamburg. .
Sie schliefen zu fünft in einem Bett und putzten sich die Zähne auf dem Damenklo des Bambi-Theaters: Vor 50 Jahren kam eine Band namens Beatles nach Hamburg.
Die Beatles-Literatur ist umfassend, aber die Rolle des Bruno Koschmider wird immer noch unterschätzt. Ein Versäumnis. Bruno Koschmider war ein kriegsversehrter Zirkusclown und alles andere als ein großherziger Kunstmäzen. Aber ohne Bruno Koschmider hätte es die größte Band der Welt nicht gegeben. Bruno Koschmider baute die Bühne, auf der die Live-Auftritte perfektioniert wurden, Bruno Koschmiders Geld sorgte für die Anschaffung der ersten richtigen Gitarren - und Bruno Koschmider nahm die Beatles in Empfang, als sie vor genau 50 Jahren nach Hamburg kamen.
Oder besser gesagt: Bruno Koschmider sollte sie empfangen. Tat er aber nicht. Als der klapprige Lieferwagen mit Band und Ausrüstung in den Augusttagen des Jahres 1960 in Hamburg ankam, war Bruno Koschmider erstmal nicht da. Ein Bewohner der Reeperbahn, den man auf gut Glück aus dem Schlaf klingelte, half mit der Privatnummer des Nachtklub-Besitzers aus, und so verbrachten die Beatles den Rest ihrer ersten Nacht in Deutschland in Brunos Schlafzimmer. Alle fünf in einem Bett.
Pete Best hatte erst Weihnachten ein Schlagzeug bekommen
Ein richtiges Bett: Solch Komfort sollten sie in den nächsten Monaten vermissen. Das St. Pauli der frühen Sechziger war ein Schauplatz wüster Geselligkeit. Matrosen prügelten sich, Nachtschwärmer durchstreiften das Viertel auf der Suche nach dem billigen Kick. Mittendrin: der Strip-Schuppen Indra, Große Freiheit Nummer 64. Das Indra gehörte Bruno Koschmider, wie diverse andere Etablissements, und es lief schlecht. Rettung versprach die Verwandlung in einen Rock’n Roll- Klub, einen „Beatschuppen“, wie man damals sagte.
Das Problem war nur: In Deutschland gab es damals noch keine Beatbands. Musiker aus Amerika kamen aus Kostengründen nicht in Frage, aber in England wurde Bruno Koschmider fündig. Beim Liverpooler Manager Allan Williams bestellte Koschmider eine echte Beatband. Fünfköpfig, mit Schlagzeuger, lautete der Auftrag, was die Band, die Williams für den Job aussuchte, vor gewisse Probleme stellte. Die Beatles waren nicht zu fünft, und sie hatten keinen Schlagzeuger.
In höchster Eile nahmen John Lennon, Paul McCartney und George Harrison, die sich bereits bei Gemeindefesten einen Ruf erworben hatten, ihren Freund Stuart Sutcliffe und einen gewissen Pete Best an Bord. Sutcliffe wurde ein Bass in die Hand gedrückt, bei den Auftritten musste er aber mit dem Rücken zum Publikum stehen, damit niemand sah, dass er gar nicht spielen konnte. Pete Best hatte erst Weihnachten ein Schlagzeug geschenkt bekommen.
Klobrille um den Hals
Das Indra war nicht besonders groß, vier Tische rechts von der Bühne, zwei links, und hinten ein paar Nischen, in denen sich die Stripperinnen nett mit den Gästen unterhalten hatten. 60 Gäste passten maximal hinein, aber am 17. August 1960, beim ersten Auftritt der Beatles auf deutschem Boden, kamen nur zwei.
„Macht Schau!“, rief Bruno Koschmider deshalb immer wieder verzweifelt, wenn die Begeisterung etwas nachzulassen drohte, und die Beatles ließen sich nicht lumpen. „Wir spielten jeden Abend von 8.30 Uhr bis zwei Uhr morgens, am Wochenende länger, für 25 Mark pro Mann und Tag“, erinnert sich Paul. So viele Songs kannten sie damals gar nicht, deshalb wurde das Material gestreckt. „What’d I Say“ beispielsweise, ein Ray Charles-Klassiker, erstreckte sich auch mal über eine Stunde. John verschwand dabei unter den Tischen und hielt nur ab und zu das Mikro in die Luft, damit die Gäste den Refrain mitgrölen konnten, und Paul tobte über die Bühne mit einer Klobrille um den Hals, „Macht Schau“ rief Koschmider begeistert. Untergebracht waren sie in einem bis auf zwei Etagenbetten völlig leeren Lagerraum des Bambi-Kinos, das ebenfalls Bruno Koschmider gehörte. Die Zähne putzten sie sich auf dem Damen-Klo, da war es sauberer. Vom „Indra“ mussten die Beatles in den „Kaiserkeller“ umziehen, weil sich eine Nachbarin über den Krach beschwert hatte. Im benachbarten „Top Ten“ beteiligten sie sich an einer Jam Session und wurden abgeworben
Kondom angezündet
Koschmider warf die Beatles daraufhin aus dem Bambi und verpetzte George bei der Polizei, weil der noch keine 18 war und keine Arbeitserlaubnis hatte. Paul und Pete zündeten aus Rache im Bambi-Kino ein Kondom an, wurden wegen Brandstiftung verhaftet und kamen für eine Nacht ins Gefängnis. Alle drei wurden deportiert. John blieb noch ein paar Tage, verkaufte dann seine Lederjacke, um die Eisenbahnkarte nach Liverpool zu bezahlen. Am 1. Dezember 1960 waren alle bis auf Stuart wieder zurück in England und schrieben Geschichte.