Köln. .
Neue Lieder, neue Band, neue Ideen: Gentleman alias Tilmann Otto ist mit seiner Diversity-Tour in seiner Heimatstadt Köln gelandet und beherrschte mit „The Diversity“ das Kölner Palladium. Das neue, alte Publikum zwischen 15 und 50 tanzte - bis in die letzte Reihe.
Optisch könnte der Kontrast zur Vorband „Soja“ kaum größer sein: Dort die Dreadlocks, die schlabbrigen T-Shirts, Fragezeichenstatur, hier Gentleman, der heute auch so angezogen ist wie einer. Englisch wirkende Mütze, graues Sommersakko, schwarzes T-Shirt mit V-Ausschnitt, ordentlich gestutzter Drei-Tage-Bart, Körperspannung. Dazu eine helle Jeans, die sonnengebleicht daherkommt und die souveräne Leichtigkeit betont, mit der Tilmann Otto am Donnerstagabend vom heimischen Sofa um die Ecke auf die Bühne des Kölner Palladiums spaziert, um selbiges zu rocken. Heimspiel für einen Weltbürger.
Gereift wirken auch Gentlemans neue Show, die neuen Lieder, die neuen Ideen. Oder besser: gewachsen; auf natürliche Art weiterentwickelt aus dem bestehenden Schatz an Melodiegespür, Sounds, Gesten und Talent. „The Evolution“ heißt folgerichtig die neue alte Begleitband. Vor allem der Trommler ist neu, der alte hatte Rechte an dem Namen „Far East Band“, ansonsten hat sich wenig geändert an dem Sound der Band (die übrigens hervorgegangen ist aus „Messer Banzani“, einer populären Ska-Band aus Leipzig). Evolution, das passt zum neuen Album „Diversity“ – als weißer Schriftzug und hängt das Credo „diversity über den Köpfen der Musiker.
Nachhaltigkeit, Toleranz, Miteinander in Vielfalt
Minimalismus, schlichte Eleganz im Bühnenbild – ist Gentleman ein Apple-Freund? Jedenfalls mag er diese abstrakten Ein-Wort-Titel, über die sich so schön philosophieren lässt: Serenity, Changes, Diversity – ein vieldeutiges Wort: Nachhaltigkeit, Toleranz, Miteinander in Vielfalt, eine musikalische Erweiterung des Genres Reggae. Und hey, schon Bobbys „Could You Be Loved“ war der recht abstrakte Versuch, die Liebe lyrisch und musikalisch zu behaupten im Zeitalter der Evolutionstheorie.
In diesem Feld bewegen sich auch die Texte von Gentleman derzeit. „Ich glaube immer weniger und weiß immer mehr“, sagt er im Interview. „Ich glaube an Gott, ganz sicher. Aber ich glaube auch, dass Gott ein Konzept sein kann, der Wille zum Gerechten, zum Guten in uns.“
Fein dosiert statt ungestüm
Auch hier, eine neue Erwachsenheit im Denken. Da passt es, dass Gentleman bereits als zweites Lied in Köln „Good old days“ vom neuen Album spielt. Dieses und das vorletzte Album „Another intensity“ stehen eindeutig im Vordergrund. Klassiker wie sein erster Hit „Dem Gone“ oder die härtere Hüpf-Nummer „Leave us alone“ kommen erst in der Zugabe. Der manchmal ungestüme Ragga der frühen Konzerte ist einer fein dosierten Energie und poppigen Melodien – also Ohrwürmern – gewichen.
Die Höhepunkte in diesem Sinn: „Everlasting Love“ – als Duett mit seiner Frau und Background-Sängerin Tamika. Eines der besten neuen Stücke. Und gleich im Anschluss die Hitsingle „Intoxication“ – selten wurden so viele schöne Lieder für eine Frau geschrieben. Der A-Capella-Beginn von „Got to go“ – ein Lied für den Sohn, der den Vater oft an sein weltweites Publikum abtreten muss. Er wird irgendwo im Publikum zuschauen. Gentleman weiß das. immer wieder suchen seine Blicke Freunde auf der Empore, ein Grinsen will nicht weichen.
Das neue, alte Publikum zwischen 15 und 50 tanzt
„Different Places“ kommt und „It No Pretty“ – die beiden ersten Nummer-Sicher-Singles der letzten Alben. Dafür leider nicht „Serenity“ und „Changes“, unsere Lieblingslieder, aber das ist natürlich Geschmackssache; und nach fünf Alben (das letzte ein Doppelalbum) ist die Auswahl groß. Seltsamerweise verzichtet Gentleman in den fast zwei Stunden aber auch auf „To The Top“, die neue Disco-Nummer, dabei wäre gerade es doch spannend gewesen, die mal auszutesten.
Und auch das Duett mit Patrice „Along The Way“ hätte man sich gewünscht, selbst solo. Dafür aber neue Stileinflüsse bei „Regardles“: sphärige Chill-Out-Klängen stellenweise unterlegt mit schnellem Ragga, ein Song der gut auf einen Buddha-Bar-Sampler passen würde. Und nach dem Roots-Klassiker „Jah Inna Yuh Life“ kommt gleich das rhythmische „Hold On Strong“: schnell, breakbeatig, fast elektronisch. Größer könnte der Kontrast kaum sein. Aber genau das liebt das neue, alte Publikum zwischen 15 und 50, diese Vielfalt, und tanzt bis in die letzte Reihe.
- Gentleman tritt am 22. Mai in Bielefeld auf (Ringlokschuppen), am 2. Juli in Köln beim Summer Jam, am 15. Dezember in Münster (Skaters Palace) und amam 22. Dezember in Bochum (Ruhrcongress). Mehr Termine gibt’s hier