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Zurück zur Musik: Nach der Nackt-Affäre und dem Abitur-Stress soll nun Lena Meyer-Landruts erstes Album „My Cassette Player“ in den Fokus rutschen. Doch so mutig wie die Liedauswahl der 18-Jährigen in der Casting-Show war, so mutlos wirken einige der Kompositionen von Stefan Raab.
Da sitzt sie auf einem Drehstuhl, lässig einen Arm auf ein Bein gestützt. Lena trägt Freizeitschuhe, Jeans, graues Oberteil und eine graue Mütze, unter der die langen braunen Haare locker über ihre Schultern fallen – dazu ein verschmitztes Lächeln und ein unschuldig-verspielter Blick aus den tiefbraunen Augen: das Cover für Lena Meyer-Landruts erstes Album „My Cassette Player“ zeigt die 18-jährige Castingshow-Gewinnerin so, wie sie sich selbst gerne in der Öffentlichkeit präsentiert: Als das liebe Mädchen von nebenan. Wer denkt da schon an Nacktszenen im Schwimmbad oder sexy HipHop-Videos.
Lenas blanker Busen in einer RTL-Doku wird ausgeschlachtet
Diese „Jugendsünden“ waren in den vergangenen Wochen in den Fokus geraten, wenn es um die Abiturientin aus Hannover ging. Ihre ersten Schauspiel-Versuche in Trash-TV-Serien wie „Richter Alexander Hold“ und „K11 Kommissare im Einsatz“ waren noch von der harmloseren Sorte. Ihr Nackt-Auftritt in der Doku „Helfen Sie mir!“ schlägt dafür umso größere Wellen. Von RTL und der Bild-Zeitung wird die Szene, in der Lena oben ohne zu sehen ist und mit einem anderen Schauspieler knutscht, bis ins kleinste Detail ausgeschlachtet.
Während die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung schimpft, dass damit „die letzte jugendliche Lichtgestalt durch den Dreck gezogen wird“, geht Lena selbst ganz locker mit ihrer Vergangenheit um. „Ich schäme mich nicht dafür“, stellt die Abiturientin in der SKL-Show klar. „Ich habe ja keinen Porno gedreht, das ist alles irgendwie im Rahmen“ – und fügt allerdings hinzu, dass sie es aus heutiger Sicht vielleicht nicht mehr machen würde. Fotos der Filme mit einer freizügigen Lena wird es so schnell nicht mehr geben, sagte sie dem Radiosender EinsLive: „Ich steh auf jeden Fall nicht völlig nackt im Playboy und lecke mir über die Lippen.“ Ihrem Ruf scheint die Nackt-Affäre aber nicht zu schaden – im Gegenteil: die Lena-Fans stellen sich auf Fanseiten und in sozialen Netzwerken im Internet noch mehr hinter ihr junges Idol.
Naturtalent oder Hype?
Doch ist die 18-jährige Hannoveranerin nun das verehrenswürdige Naturtalent oder wird sie von den Medien so sehr hochgejubelt, dass sie nur noch in die Kamera lächeln, mit ihren Kulleraugen rollen und ein bisschen in ihrem London-Englisch trällern muss, damit das Publikum verzückt? Mit der Veröffentlichung ihres Albums „My Cassette Player“ – dafür hat sie extra ihren eher sperrigen Nachnamen abgelegt – rückt die Stunde der Wahrheit etwas näher. Neben ihren drei USFO-Hits „Satellite“, „Bee“ und „Love me“ sowie den zwei aus der Casting-Show bekannten Cover-Stücken „My Same“ (Adele) und „Mr. Curiosity“ befinden sich auch acht neue Lieder auf dem Album, zu denen Lena noch nicht über die Bühne getänzelt ist.
Überwiegend sind auf Lenas ersten Album schnellere Popsongs zu hören, zum Teil auch etwas funkige oder jazzige Nummern. Es ist typisch Lena, leicht und beschwingt. Ihr Sprechgesang a la Kate Nash fehlt ebenso wenig, wie ihr – wie sie selbst sagt – „Pseudoakzent“ im Englischen. Den für ihre Platte zu ändern, wäre ihr nicht in den Sinn gekommen. „Das wäre so, als ob man einem Ur-Kölner sagen würde, lass doch mal den Dialekt weg. Das bin halt ich.“
Jedes künstlerische Risiko wird vermieden
Dass die meisten neuen Stücke von Stefan Raab produziert sind, hört man schnell heraus. Wie schon bei Max Mutzke und Stefanie Heinzmann setzt der Produzent bei Lena auf eingängig-fluffige Pop-Melodien. Dabei vermeidet er allerdings jedes künstlerische Risiko. So mutig wie die Liederauswahl Lenas in den Casting-Shows war, so mutlos sind einige der acht neuen Kompositionen. „My Cassette Player“, „Wonderful Dreaming“, „I Like To Bang My Head“ oder „Touch A New Day“ sind nette Pop-Songs, aber sicherlich keine musikalische Offenbarung. „I Just Want Your Kiss“ und „Not Following“ bringen den typisch-frechen Lena-Stil noch am besten herüber. Mit „Caterpillar In the Rain“ befindet sich zudem eine schöne Ballade mit Piano-Begleitung auf dem Album. Einen Ohrwurm wie den hunderttausendfach verkauften Oslo-Song „Satellite“ suchen die Hörer unter den Raab-Kompositionen allerdings vergeblich.
Vielleicht haben deshalb auf dem Album auch die beiden Coversongs „My Same“ (Adele) und „Mr. Curiosity“ (Jason Mraz) ihren Platz gefunden. Mit den Liedern hatte sie nicht nur das Publikum in den „Unser Star für Oslo“-Shows verzaubert – ihre Interpretation spiegelt den besonderen Musik-Geschmacks Lenas wider, der sie bisher so authentisch machte.
Viel Raab und ein bisschen Lena
Der Titel des Albums „My Cassette Player“ passt gleichwohl zu Lena, die zur Disco lieber „Tanzhaus“ sagt. „Ich finde, dass ein Kassettenrekorder ein tolles Motiv ist, weil ich das mit meiner Kindheit verbinde. Ich habe auch noch meinen alten - ein kleines, rotes schrabbeliges Teil.“ Parallel zum Lernen für ihre Abiturprüfungen telefonierte Lena in den vergangenen Wochen oft mit Stefan Raab. Gemeinsam schrieben sie auf diesem Weg die Texte für mehrere Songs ihres Albums. Sie hätten besprochen, „was für eine Art Lied wir wollen, was wir da reinbringen wollen - bestimmte Worte oder Intentionen und dann haben wir was draus gemacht – das ging ganz gut“, berichtet sie.
Ihren gröbsten Abi-Stress hat die 18-Jährige inzwischen hinter sich gebracht – nur eine praktische Prüfung im Fach Sport steht noch aus. Danach ist Geduld gefragt: Ihre Ergebnisse erfährt die Schülerin erst nach ihrem großen Auftritt in Oslo, „im Juni irgendwann“. Lieber wäre es ihr zwar anders, um eine Sonderregelung bemühte sie sich aber nicht. „Das müssen alle anderen aushalten, da kann ich das wohl auch.“ Mit einer „Katastrophe“ rechnet Lena nicht. Nur die Note ihrer mündlichen Deutsch-Prüfung wurde ihr sofort mitgeteilt und kann sich mit 10 Punkten (Zwei minus) sehen lassen.
Das kleine Graue oder das kleine Schwarze
Für ihren Oslo-Auftritt plant Lena keine große Bühnenshow, genau wie bisher. „Ich werde da so sein wie sonst auch. Das wird die einfachste und ehrlichste Lösung sein.“ Auch Backgroundtänzer solle es nicht geben. Gedanken hat sich die 18-Jährige bereits über ihr Outfit gemacht: „Da gucke ich gerade ein bisschen rum, was mir gefällt. Ich glaube, es wird irgendetwas Entspanntes sein, ein Kleidchen in Grau oder Schwarz, so wie man das kennt.“ Nach Oslo wird Lena ohne Familienmitglieder oder Freunde fliegen. „Da ist so viel Trubel und so viele Leute wollen was von mir, ich glaube, das ist besser.“ Auch ihren 19. Geburtstag am 23. Mai wird Lena in Norwegen feiern.
So kann sie sich voll und ganz auf den Eurovision Song Contest am 29. Mai konzentrieren. Dann wird sich zeigen, ob Raabs diesjährige Casting-Maschinerie auch international funktioniert. In Deutschland hat sich „Unser Star für Oslo“ in vielen Köpfen zu „Unsere Lena“ weiterentwickelt. Viele haben die 18-Jährige wegen ihrer Unbekümmertheit und ihres Charmes in ihr Herz geschlossen. So wie die 82 Millionen Deutschen gefühlt Weltmeister werden, wenn elf Fußballer mit dem Bundesadler auf der Brust auflaufen – so werden auch alle Grand-Prix-Fans mitfiebern, wenn die Abiturientin in Oslo das jährliche Waterloo beim Eurovision Song Contest vergessen machen soll: „Unsere Lena schafft das schon“ lautet die Devise. (mit ddp)