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Das neue Album „Jasmine“ von Keith Jarrett bietet beinahe erwartungsgemäß eine Überraschung: Der große Pianist mit der Vorliebe für kleine Besetzung bat seinen Kumpel Charlie Haden ins Studio für eine Duo-Platte.
Keith Jarrett und Charlie Haden nahmen sich, wieder einmal, Klassiker zur Brust, darunter „Body And Soul“. Das Schöne: Gerade an den Referenzstücken des Jazz, vereint im American Songbook, zeigen Jarrett und Haden ihre Klasse. Sie erwecken tot gejazzte Stücke zu neuem Leben, indem sie gerade bei langsamen Tempi zeigen, wozu Balladen einst dienten: als musikalische Grundlage für Geschichten. Sie erzählen ohne Worte – und ohne Imponiergehabe.
Das gilt besonders, wenn sie sich vor Joe Samples Pop-Ballade „One Day I’ll Fly Away“ verbeugen, eine Sehnsuchtsmelodie, die Randy Crawford 1980 zu einem Riesenhit machte und die in dem Kino-Film „Moulin Rouge“ fröhliche Urständ feierte. Damit kehrt Jarrett zu einer frühen Tugend des Jazz zurück, der genau dann zu Höchstform auflief, wenn er Kommentare zur aktuellen Popmusik ablieferte.
Weil Jarrett und Haden niemandem mehr etwas beweisen müssen, gelten ihnen Gefühl und Ausdruck erklärtermaßen mehr als pure Fingerfertigkeit und zwanghafte Abstraktion.
Im Gegenteil: Der Chef und sein „Helfer“ (Jarrett über Haden) swingen melodienselig, lebensfroh. Der hoch sensible Hochbegabte hat das Tal der Tränen durchschritten. Es geht ihm hörbar gut – und er lässt die Jazzgemeinde daran teilhaben. VÖ: 7. Mai 2010