Essen. .

Sie ist die berühmteste Geigerin der Welt. Jetzt kam Anne-Sophie Mutter, die als Jugendliche den großen Karajan beeindruckte, in die Essener Philharmonie.

Bei Johannes Brahms wirkt Anne-Sophie Mutter ganz zu Hause. Wir hören in der Philharmonie in Essen den sämig-dunklen Geigenton, den ihre Bewunderer so lieben. Wir erfahren sinnlich, wie die Geigerin Musik nicht einfach darstellend gliedert, sondern wie sie aus der Form das Leben zaubert. Wir hören, wie sie ihr Ausnahmetalent in faszinierenden Farben, in suggestivem Legato, in konzertantem Schwung auslebt. Das ist Brahms, „geigerisch“ empfunden, – mit allen Ausdrucksmitteln des Instruments erfüllt.

Es geht ihr nicht ums vollblütige Virtuosentum

Mutters Zugang zu den drei Violinsonaten ist nicht der einer vollblütigen Virtuosa. Sie betont das Lyrische. Wenn sie ihren Bogen singen lässt, dann mit loderndem Vibrato, so in der d-Moll-Sonate op. 108. Begonnen hat sie das Konzert mit den schüchternen Einwürfen der Geige in der A-Dur-Sonate op. 100. Die Themenformulierung wirkt wie eine bange Erwartung: hingehaucht, bevor sich verhaltene Sanglichkeit durchsetzt. Das Legato des zweiten Satzes bleibt sanft gedrosselt, entfaltet sich erst auf der E-Saite zu leuchtendem Schmelz. Anne-Sophie Mutter verweigert das Portamento nicht, stellt sich bewusst gegen eine Richtung, die mit solchen traditionellen Mitteln wenig anzufangen weiß.

Die „Regenlied-Sonate“ gilt als eines der Werke, in denen Brahms die Türen zu seinem Inneren einen Spalt öffnet. Mutter fängt Momente des Intimen ein in leisen Tönen an der Grenze der Spielbarkeit, in langsam zelebriertem Adagio, in vibratolos fahlen Tönen und in einem dritten Satz, der die Beherrschung behält und so die Scheu des Komponisten vor allzu persönlichen Bekenntnissen musikalisch einzuholen sucht. Dass die Geigerin auch der Versuchung zu selbstgenügsam erlesenem Ton erliegt, sei nicht verschwiegen; dass ihr Klavierpartner Lambert Orkis kaum über weichen Schönklang hinauswächst, nimmt Brahms‘ Musik innere Spannung.