Los Angeles.

Ladys-Night bei den Grammys: Die Verheiratete, die von Singles singt, die Glitzernde, die Gaga ist, und die Blondgelockte, die das nette Mädchen von nebenan abgibt - Pop-Superstars Beyoncé, Taylor Swift und Lady Gaga gewannen bei den 52. Grammy Awards in Los Angeles insgesamt zwölf Preise.

Lady Gaga bleibt ihrem Keine-Hosen-Stil treu: Mit dem nominierten Song “Poker Face” startet sie ihre schillernde Performance und damit die Grammy-Fernsehshow. Ganz flott landet sie am Doppel-Piano - mit, Achtung: Elton John. Das Duett der Popstars - eine Mischung aus “Speechless” und “Your Song” - ist wahrscheinlich die größte Überraschung des Abends. Dass sie am Anfang passierte, ließ den Spannungsbogen bei der 52. Grammy-Verleihung, die in der Nacht zu Montag aus Los Angeles übertragen wurde, leider rasch abflachen.

Beyoncé kommt im Panzer-Kleidchen: Umgeben von soldatesken Tänzern - das Szenario erinnert die in den 80ern popkulturell Sozialisierten an Janet Jacksons “Rhythm Nation” - singt sie “If I Were A Boy”, greift sich apart in den Schritt, zitiert dann in ihrem Medley Alanis Morrisette und nimmt letztendlich sechs Grammys mit nach Hause. Beyoncé ist die amtierende Pop-Queen, so viel steht fest, und Ehemann Jay-Z kann seine drei Auszeichnungen aus diesem Jahr (Bester Rap Song, Beste Rap/Gesang-Zusammenarbeit und Beste Rap-Solo-Performance) gleich dazu gruppieren.

Die US-Musikindustrie kann sich auch groß selbst feiern

Wie sich die US-Filmindustrie mit den Oscars seit mehr als 80 Jahren selber feiert, das macht die Musikindustrie seit 1959 nach: Für die Gewinner stimmen die rund 12.000 Mitglieder der “Recording Academy”, die mindestens an sechs kommerziell veröffentlichten Stücken mitgearbeitet haben. Und wenn es 109 Preise gibt - in Kategorien von Bestes Klassisches Crossover-Album über Bestes Country- oder Bluegrass-Gospel-Album bis Bester Album-Begleittext - muss man für die Show ein bisschen sieben. Die allermeisten waren schon verliehen, bevor der Sender CBS die Gala zur besten Fernsehzeit am Sonntagabend ausstrahlte.

Stephen Colbert, der später noch “Best Comedy Album” gewinnen sollte, vergab den ersten Grammy des Abends - und zog statt eines Umschlags einen iPad aus der Anzugtasche: Beyoncés “Single Ladies (Put A Ring On It)” gewann Bester Song - immerhin hat ihn sogar President Obama zitiert. Ähnlich populär war “American Idiot” von Green Day, für das es 2005 den Album-des-Jahres-Grammy gab. Bald hat die “Punk Rock Oper” Premiere am Broadway in New York, und man kommt nicht umhin sich zu fragen, was das noch mit Punk zu tun haben soll. Green Day traten mit den Musical-Darstellern auf - und gewannen später für “21st Century Breakdown” den Grammy fürs Beste Rockalbum.

Wer singt wen an die Wand?

Der Preis fürs Beste Country-Album war der erste, den Taylor Swift vor laufenden Kameras entgegen nahm; “Fearless” war 2009 die meistverkaufte Platte, und zum Ende der Pop-Gala gab’s dafür auch noch die begehrteste Trophäe - den Grammy für das Album des Jahres. Die 20-Jährige dankte ihrer Plattenfirma, dass sie jeden Song selber schreiben durfte und konnte ihre kurze Rede ohne Unterbrechung loswerden - Kanye West, der der Sängerin bei den MTV Video Music Awards rüde das Mikro entrissen hatte, ward nicht gesehen. “Ich fühle mich, als stünde ich hier und nähme einen unwahrscheinlichen Traum entgegen”, sagte Swift - und trat dann mit Stevie Nicks in einem sehr blonden Duett auf, bei dem die Ältere sich größte Mühe gab, die Jüngere nicht an die Wand zu singen.

Der Coolness-Faktor stieg, als Norah Jones - die ohne ihre langen Locken kaum wiederzuerkennen ist - mit Ringo Starr den Preis für die beste Single des Jahres an die Kings of Leon für “Use Somebody” vergaben. Die gewannen damit noch zwei weitere Grammys und waren gewinnend in ihrer Ehrlichkeit: “Ich will nicht lügen, wir sind ein bisschen betrunken”, bekannte Sänger Caleb Followill. Sein Bruder Nathan Followill hielt die Rede kurz: “Ich danke unseren Fans, Gott und unserer Familie, und wen ich vergessen habe, dem geb’ ich nachher einen Kurzen aus.”

Hommage an Michael Jackson

Sehr, sehr viel getragener der Show-Teil mit der Hommage an den im Juni 2009 gestorbenen Michael Jackson: Celine Dion, Jennifer Hudson, Smokey Robinson, Carrie Underwood und Usher sangen - mit Jackson aus dem Off - den “Earth Song”, dazu lief der passende Film in 3D, und selbst die hipsten Musiker trugen die sehr uncoolen Papp-Brillen. Jacksons ältere Kinder Prince und Paris nahmen den Preis fürs Lebenswerk ihres Vaters entgegen, und ihr ausdrücklicher Dank and Opa und Oma klang so gezwungen, dass das Zusehen schmerzte.

Einen Auftritt mit Sprungkraft legten die Black Eyed Peas bei “I Gotta Feeling” hin - die Beste Pop-Performance des Jahres; ihr Album “The E.N.D” bekam den Grammy als Bestes Pop-Album mit Gesang. Jamie Foxx mimte für ein paar Sekunden den Opernsänger, ließ dann aber schnell das Cape fallen: Mit T-Pain - und Slash an der Gitarre - gab’s “Blame It” zu hören und dafür den Preis für die Beste R’n’B-Gruppen-Performance.

Sheryl Crow trug die zweitgrößten Ohrringe (gleich nach Beyoncé), hatte die muskulösesten Oberarme des Abends und sagte Bon Jovi an, die noch nie bei den Grammys aufgetreten waren - und Teil des ersten “Internet-Experiments” waren: Wer mochte, konnte online für einen Song stimmen, der im Medley der Rocker aus New Jersey anklingen sollte. Dass das keine Masche ist, mit der man jüngere Zuschauer gewinnt - vor allem nicht bei dieser Band - zeigte sich deutlich beim Sieger-Song: “Living On A Prayer” ist 1986 veröffentlicht worden. Da war Beyoncé fünf, Lady Gaga gerade auf der Welt und Taylor Swift noch längst nicht geboren.

Alle Preisträger gibt’s >>hier<<.

Bei tape.tv gibt’s ein Special mit Videos der Grammy-Nominierten.