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Die Erste blickt auf ihre Karriere zurück, die Zweite veredelt ihr Vorjahres-Album und die Dritte kommt mit nagelneuen Songs daher: Britney Spears, Beyoncé und Leona Lewis „bescheren“ ihre Fans mit zum Teil zweifelhaften Neuerscheinungen.

Sex, Drugs and Kahlrasur: Durch ihre zahlreiche Eskapaden degradierte Britney Spears ihre musikalische Arbeit mitunter so sehr zur Nebensache, dass diese zeitweise völlig vom Radar der öffentlichen Wahrnehmung zu verschwinden drohte. In jüngerer Vergangenheit präsentierte sich das Skandal-Sternchen jedoch zumindest semi-geläutert. Mit der Veröffentlichung von „The Singles Collection“ erinnert die Blondine den Popmusik-Liebhaber nun noch einmal mit Nachdruck daran, dass sie in der vergangenen Dekade bereits etliche Hits in den Charts platziert hat.

Nach dem einzigen neuen Song „3“, einer eher durchschnittlichen Dance-Nummer, startet Spears auf dem Silberling die Reise in ihre musikalische Vergangenheit: „Baby One More Time“ ist vermutlich in vielen Männerköpfen untrennbar mit dem Gedanken an Mädchen in knappen Schuluniformen verknüpft. Darüber hinaus bietet der Song einen extrem tanzbaren Beat, über den die US-Amerikanerin einen eingängigen Mitsing-Refrain flötet. Auch die nächsten Stücke folgen dem gleichen, glattgebügelten Schema: Musik der Marke „Seichter Teenie-Pop“. Recht unspektakulär plätschern die Tracks vor sich hin. Songs mit Ecken und Kanten oder emotionalen Tiefgang sucht man zunächst vergeblich.

Gaststars kompensieren die fehlende musikalische Reife

Das lasziv vorgetragene „I’m A Slave For U“ stellt da mit seinen entrückten Harmonien-Fetzen schon einen wahren Innovations-Orkan dar. Und mit „I’m Not A Girl, Not Yet A Woman“ trällert der ehemalige Kinderstar sogleich die zentrale Quintessenz des Albums: Richtig erwachsen wirken auch die größten Hits von Britney Spears in Gänze einfach (noch) nicht. Manchmal gelingt es ihr, die fehlende musikalische Reife dadurch zu kompensieren, dass sie Szene-Größen wie Madonna oder Pharrell Williams mit an Bord holt. Bei der sanften Ballade „Everytime“ oder aktuelleren Stücken wie „Radar“ sind auch zumindest zarte Ansätze einer Weiterentwicklung zu erkennen. Man darf also gespannt sein, ob Spears musikalisch vielleicht in den nächsten zehn Jahren die Pubertät gänzlich hinter sich lassen kann. Als Bonus gibt es die von der Plattenfirma als „kultig“ beschriebenen Musikvideos zu bewundern, in denen sich die Pop-Prinzessin gewohnt freizügig räkelt.

Eine DVD mit Musikvideos gehört auch zu dem edlen Paket, das R&B-Queen Beyoncé mit der „Platinum Edition“ ihres Longplayers „I Am ...Sasha Fierce“ geschnürt hat. Den Marketingstrategen des Labels sei an dieser Stelle dafür gedankt, dass sie dabei der Versuchung widerstehen konnten, die täuschende Fassade eines neuen Album-Titels zu errichten. Schließlich verbirgt sich hinter dieser vermeintlichen Neuerscheinung lediglich die „Deluxe Version“ des gleichnamigen Albums aus dem Vorjahr, diesmal jedoch angereichert mit einer Handvoll neuen Songs und dem erwähnten üppigen DVD-Material. In den „Behind The Scene“-Sequenzen outet sich Beyoncé als gespaltene Persönlichkeit, die sowohl den ernsten Privatmenschen als auch die schillernde Entertainerin in sich vereint. Die Soul-Diva plaudert unbeschwert über die Geschichten hinter ihren romantischen Balladen und den grell inszenierten Powerfrau-Hymnen und lässt sich gerne beim Einstudieren von Tanzschritten und bei Dreharbeiten beobachten.

Sirenenhafte Stimme bleibt im Gehörgang kleben

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Ansonsten bietet diese Edelmetall-Ausgabe überwiegend Altbewährtes: Die mehrfache Grammy-Gewinnerin bezaubert mit ihrem markanten und ausdrucksstarken Ausnahmeorgan, stets verziert sie die Melodien mit ihrem charismatischen Vibrato. Ganz gleich, ob zu Techno-Beats, zu balladesker Streicher-Begleitung, zu Hip-Hop-Grooves oder zu hektisch-modernen R&B-Rhythmen: Die sirenenhafte Stimme, die sowohl immense Stärke als auch Verletzbarkeit in sich trägt, bleibt jedes Mal eindrucksvoll im Gehörgang hängen. Bekannte Hits à la „Halo“, „If I Were A Boy“ und dem grandiosen Party-Knaller „Sweet Dreams“ dürfen da nicht fehlen.

Neben dem Mangel an echten Neuheiten stellen jedoch die Bonus-Tracks einen weiteren Wehrmutstropfen dar. Der „Ego“-Remix, bei dem Rapper und Sänger Kanye West den ersten Gesangspart übernimmt, und das etwas rohe „Why Don’t you love me“, dem ein gewisser Demoversion-Charakter anhaftet, können beide nicht vollends überzeugen. Auch „Honesty“ und „Save The Hero, zwei romantische Balladen mit der Extraportion Soul, bringen nicht die Hitqualität von „If I Were A Boy“ mit. So wirkt das Album in der Summe ein wenig künstlich aufgeblasen und ist vorwiegend etwas für eingeschworene Fans.

Gefühlvolle Pop-Perlen stehen im Vordergrund

LLeona Lewis kann stimmlich üüerzeugen.
LLeona Lewis kann stimmlich üüerzeugen.

Mit einer lupenreinen Neuveröffentlichung kann hingegen Shootingstar Leona Lewis aufwarten, die mit ihrer neuen CD „Echo“ einen eher puristischen Ansatz verfolgt: Hier stehen ganz allein die gefühlvollen Songs im Vordergrund. Der Silberling kommt demnach völlig ohne sexualisierte Musikvideos oder eher verzichtbare Bonus-Tracks aus. Und das zweite Album der 24-Jährigen knüpft dabei nahtlos an die bärenstarke Leistung auf dem Debütalbum „Spirit“ an.

Ihre durch eine Opernausbildung geschulte Stimme glänzt an vielen Stellen durch eine bemerkenswerte Intensität, die bisweilen einen ähnlichen Gänsehaut-Faktor wie Sinead O’ Connor entfacht. Mühelos erklimmt die Britin stimmlich auch schwindelerregendste Höhen ohne dabei an Ausdrucksstärke zu verlieren: Kopfstimme par excellence. Wirklich beachtlich, wie präzise Lewis ihr Organ auch durch virtuoseste Gesangslinien manövriert, aber nicht in reine Stimmakrobatik verfällt.

Von einer dezenten Instrumentalisierung passend eskortiert, bekommt sie stets ausreichend Raum zur Entfaltung und intoniert eine Reihe bombastischer Refrains. Streicher, Beats oder Piano treten dabei rücksichtsvoll zwei Schritte zurück. Nahezu das ganze Album (inklusive dem Hit „Happy“) bewegt sich auf konstant hohem Niveau und besticht durch ausgereifte Arrangements. Einzig das mit einer unsäglichen Techno-Untermalung entwertete „Outta My Head“ und die eher durchschnittliche Herz-Schmerz-Kooperation mit Onerepublic („Lost Then Found“) fallen ein wenig ab. Insgesamt ein Opus, das aufgrund seiner nachdenklichen und ernsthaften Grundstimmung hervorragend in die Adventszeit passt.