Bayreuth. .

Richard Wagner spielt in Bayreuth nicht nur im Festspielhaus die Hauptrolle, man begegnet ihm in der gesamten Stadt auf Schritt und Tritt – ein Rundgang auf seinen Spuren zwischen Therme und Friseur, zwischen Kutschbock und Pozellanladen.

Am Tag vor den Spielen ist Bayreuth in einem seltsamen Zustand. Wie ein Patient, bei dem das Fieber nicht raus will. Frei von Wagner ist die Stadt deshalb aber lange nicht. Im Gegenteil: Man muss fast aufpassen, dass man nicht auf ihn tritt. Wagner ist zum Beispiel . . .

Unter Wasser. Natürlich heißt das schönste Schwimmbad am Platze nach Wagner. Ein Ritter, der per Schwan anreist, kann mit Wasser naturgemäß etwas anfangen. Die „Lohengrin-Therme” ist voll davon.

Es gab eine Zeit, sagt Ricarda Geiszler, da hätten sie ihre Wassertherapien selbstverständlich mit Werken des Meisters bestückt. „Aber dann haben die Besucher zu uns gesagt: B i t t e keine Wagner-Musik!” Darauf nimmt Ricarda Geiszler seither Rücksicht. Sie ist Leiterin der hiesigen Tao-Touch Academy. Sie liebe Wagner, habe das selbst aber ganz genauso gesehen wie die Badenden: „Im Becken sind zwei Lautsprecher drin, die Temperatur ist 35 Grad. Und ich muss sagen: Wagner kommt unter Wasser einfach nicht gut. Es ist ein Mulm!”

„Der Schwan zieht seine Schuhe aus“

Überhaupt werden in der Lohengrin-Therme namensgebende Opernmotive mit Zurückhaltung behandelt. Immerhin heißt die aktuelle Barfußaktion im Thermengarten „Der Schwan zieht seine Schuhe aus”. Es ist aber nur ein Gleichnis. Aus der Badeordnung: „...insbesondere im Bereich der Eingangshalle, gilt das Verbot für Tiere jeder Art.”

Unter der Haube. Für Stefan Vogel ist der Tag vor den Spielen auch nur einer wie viele andere in Bayreuth. In der Haar-Galerie Vogel werden keine Tumulte erwartet. „Es ist nicht mehr das große Geschäft. Es gibt halt immer mehr Frauen, die sich die Haare selber machen”, sagt der Chef. Und wer dann doch Wagners und der dazu passenden Haare wegen komme, sei kein Modefex. „Wissen Sie”, sagt Vogel, „Wagnerianer sind Menschen, die nicht unbedingt trendig sind.”

Friseurmeister Vogel ist den Spielen seit Jahren treu. Mit dem Publikum aber gehe es bergab. „Es hat sehr nachgelassen, es fehlt an Schick, an Stil, an Benehmen. Sogar Birkenstocks sieht man inzwischen. Sehr traurig!”

Ronny Schuster als Wagner (l.) mit Franz Liszt. Foto: Bayr. Marketing
Ronny Schuster als Wagner (l.) mit Franz Liszt. Foto: Bayr. Marketing © Bayreuth Marketing & Tourismus GmbH

Auf dem Bock. Wenn Sie 2010 in Bayreuth mit Richard Wagner Kutsche fahren, dann handelt es sich um Ronny Schuster. Wie Wagner ist er zugereister Sachse. Schuster ist 29. In dem Alter war Wagner im Osten und Bayreuth völlig festspielfrei, aber egal, im Theater ist ja alles Behauptung.

Ronny Schuster kam nach Bayreuth um zu studieren. Jetzt zeigt er als Touristenattraktion auf dem Pferdewagen Wagners Bayreuth, im Wechsel übrigens mit Wagners Schwiegervater Franz Liszt (auch nicht älter, aber im Theater... siehe oben). Auf seinen Führungen (14,50 Euro, Buchung: 0921-88588) wird man aber nicht wagnerianerisch gerädert: Auf der Kutsche werden keine Opern gequatscht, „am besten”, sagt Ronny Schuster, „kommen sowieso die Trink- und Frauengeschichten an!”

Auf den Hund. Vor dem Haus Richard-Wagner-Straße 13 sitzt dauernd „der Russ”. Es handelt sich nicht um einen akkordeonspielenden Osteuropäer. Der Russ war Wagners liebster Hund. „Sogar auf Google Earth können Sie ihn sehen!”, sagt Axel Seppel. Die Skulptur vom Russ hat Herr Seppel gekauft – auch aus Liebe zu den Festspielen: „Ich bin froh, dass wir sie haben!” Spezielle Festpielerkrankungen verzeichnet er aber nicht. Für die kleine Festspielreise-Apotheke empfiehlt er jedem das Gleiche: „Offenheit für neue Dinge, Begeisterungsfähigkeit, eine Flasche Wasser, ein Mineralstoffpräparat, Mütze und Sonnenmilch.” Das all das rezeptfrei ist, findet er nicht verwunderlich: „Ich bin ja Apotheker!”

Im Porzellanladen. So viel Wagnerianer für Wagner ausgeben, so sehr nimmt man sie im Umfeld der Spiele als Schnäppchenjäger wahr. Man trifft sie also auch beim Werksverkauf am Fuße des Festspielparks. Man erwirbt „Dekorabweichungen zu ermäßigten Preisen”, aber natürlich auch makellose Design-Feinheiten. Aktuell wird Götterdämmerungsgeschirr ausgestellt.

An der Gravenreuther Straße steht seit 1899 die Porzellanfabrik „Walküre”. In vierter Generation führt sie heute Wolfgang Meyer. Fragen wegen der Namenspatronin sind ihm nicht neu. Dass ausgerechnet wuchtige Reiterinnen mit behörnten Helmen zartes Gefäß bewachen, scheint ihm ein Missverständnis. Meyers Großvater Siegmund Paul habe vielmehr nach einer Wagner-Entsprechung für seinen Verkaufshit gesucht. Wotan bestraft seine Tochter (eine Walküre) mit einem Flammenbann, das gleichnamige Koch- und Backgeschirr ist absolut feuerfest.

Auf dem Balkan. „Ach”, sagt Dusan Skof, „manche stört das nicht mal bei Wagner.” Er meint Knoblauch und damit seine Spezialität: die Forelle mit der Knoblauchsauce. Herr Skof ist Chef der „Holländerstuben”, ein Balkan-Restaurant mit Opernnamen. Zu Herrn Skof kommen sie seit 29 Jahren: vorher, nachher, in der Pause. „Die dauert ja immer eine Stunde, zu mir ist es bloß acht Minuten Fußweg.”

Es ist dies die letzte Saison für Herrn Skof und seine Balkangerichte. Das Haus mit den Holländerstuben, es wird verkauft. „Die machen Wohnungen draus”, sagt Herr Skof, „schade!” Dusan Skof wird Rentner. 29 Jahre hat er sie zum Djuwetschreis an der Nibelungenstraße alle dagehabt, die großen Bässe und strahlenden Tenöre. Wie er Wagners Opern finde? Dusan Skof sagt: „Ich war noch nie drin. Ich hatte ja Gäste.”