Essen. „Gentleman“ heißt das Jazz-Abum von Curtis Stigers. Die Qualität ist hervorragend. Nur auf Dauer sehnt man sich ein bisschen Tempo herbei.

Die Zeiten, in denen sich Curtis Stigers mit Liedern wie „I Wonder Why“ und „You’re All That Matters To Me“ in die Herzen der Pop-Balladenfreunde kuschelte, sind ewig vorbei. Der Beau aus Idaho macht schon lange wieder das, was ihm eigentlich immer am Herzen lag: Jazz. Im weitesten Sinne zumindest.

Denn sein schmeichelndes Timbre taugt halt weniger für den rauchigen Jazzkeller als für die große Showtreppe, für den eleganten Auftritt im Smoking, für ein Album, das man nicht trefflicher hätte bezeichnen können: „Gentleman“ (Universal).

Eigenes und ewiggrüne Klassiker

Die elf darauf versammelten Lieder sind eine ausgewogene Mischung aus neuen Stigers-Kompositionen (dann und wann auch gemeinsam mit seinem Pianisten Larry Goldings) und ewiggrünen Klassikern des Genres. „Lately I’ve Let Things Slide“ aus der Feder von Nick Lowe, das die zumeist im Quartett musizierenden Künstler als entspannte Rumba präsentieren, eröffnet das Album. Sehr schick, sehr geschmackvoll, sehr reif, da muss niemand mehr mit rasenden Solokaskaden zeigen, was er drauf hat. In einem ähnlichen Feeling gehen sie den Jazz-Gassenhauer „After You’ve Gone“ an.

Larry Goldings brilliert an den Tasten

Immer wieder wirken Goldings’ zarte Tasten-Tupfer von Piano oder Orgel wie Balsam auf der Seele, getragen von der soliden Rhythmusgruppe mit David Piltch (Kontrabass) und Austin Beede (Schlagzeug).

Qualitativ ist über jeden Zweifel erhaben, was Curtis Stigers abliefert. Nur mündet die Lässigkeit am Ende in Behäbigkeit.
Qualitativ ist über jeden Zweifel erhaben, was Curtis Stigers abliefert. Nur mündet die Lässigkeit am Ende in Behäbigkeit. © imago/Agencia EFE | imago stock

Dass Stigers eigentlich auch gelernter Saxofonist ist, und zwar ein sehr ordentlicher, zeigt er bei seinem Solo des Titelsongs, einem bluesig-düsteren Stück Musik, in dem Stigers darüber sinniert, was einen Mann zu einem Gentleman macht. Dann und wann rufen sie zudem den wunderbaren John „Scrapper“ Sneider ans Mikrofon, um seine Trompete sprechen zu lassen.

Die Furcht, dass die Zeit an der jetzt auch schon fast 55 Jahre alten Stimme genagt hat, erübrigt sich nach dem ersten Gesangstakt. Ein bisschen angeraut ist sie, in manchen Momenten erinnert Stigers’ Timbre gar an Sinatra, und wenn es um Timing, die richtigen Pausen an der richtigen Stelle, die markanten Akzente geht – da macht diesem alten Hasen in der internationalen Musikszene so schnell keiner was vor.

Ein paar schnelle Nummern fehlen

Eine großartige Produktion also? Leider nein. Denn sie krankt an ihrer Lässigkeit. Die hat mit der Zeit etwas Behäbiges. Zumindest ist es bei aller Spiel- und Singklasse alles in allem wenig aufregend. Zwei, drei schnellere Nummern hätten ihr fraglos gutgetan.