Essen. Er ist der Troubadour der Gosse - und genießt dafür weltweit Ruhm: Am Samstag wird Tom Waits 70 Jahre alt. Eine Verbeugung.
Mein Lieblingsstück von Tom Waits heißt „Walking Spanish“. Denn diese Nummer aus dem Jahr 1985 bündelt in ihren nur etwas mehr als drei Minuten Laufzeit all das, was die hohe Kunst dieses singenden, oder sollen wir besser sagen: fauchenden Straßenkaters ausmacht: der torkelnde Rhythmus, die obskuren textlichen Gedankenwelten, das kaputte Scheppern der Instrumente, das Grundschelmische, das diesen Songpoeten ausmacht. Einfach herrlich. Einfach unverwechselbar.
Doch auch so ein Kater wie Tom Waits kommt in die Jahre. Am Samstag wird der Mann aus Pomona, der irgendwie nie so ganz aus dem Halbschatten der Unterwelt trat und dennoch in der Musikszene hochverehrt wird, tatsächlich runde 70 Jahre alt.
Für die musikalische Kunst dieses Kauzes eine Schublade zu finden, ist nahezu ausgeschlossen. Der Blues hinterlässt in den Liedern genauso seine Spuren wie der Folk. Manchmal fegt ein Zirkusmusik-Tusch durch die Verse, mitunter sind Jazz-Tupfer zu entdecken. In seinen späteren Jahren hat Waits zudem immer mehr die Rockmusik entdeckt, um mit rauer Kehle seine Geschichten über Trunkenbolde, Landstreicher, Huren und andere Verlierer zu erzählen.
Waits ist im Laufe seiner inzwischen fast 50 Jahre währenden Karriere, in der er sich auch als Schauspieler („Down by Law“) und am Theater ausprobierte, dabei immer irgendwie Waits geblieben. Anders eben. Aus der Zeit gefallen. Und immer für eine Überraschung gut.
Waits lässt die Säge singen
Er hat auf seinen Alben sogar Sägen singen oder den Trommler aufs Mobiliar einprügeln lassen. Reichte es in den 1970ern nur fürs Vorprogramm von Frank Zappa und Charles Bukowski, so gehörte später ein legendärer Haudegen wie Keith Richards phasenweise quasi zum Stammpersonal, wenn Waits eines seiner raren Alben aufnahm.
Selten genug kam es zuletzt vor, dass Waits mal eine Bühne erklomm – aber dann griff er tatsächlich gerne mal zum Megafon. Und Waits hatte nix dagegen, die Nebengeräusche eines startenden Hubschraubers zu akzeptieren, weil er eines seiner Alben partout in einer ungedämmten Lagerhalle ohne jeden Schallschutz aufnehmen wollte. Der Mann hat halt seine ganz eigene Ästhetik geschaffen. Sie kommt genauso aus der Gosse wie aus dem Surrealen. Aber sie ist auf ihre Weise bildschön.