Essen. Mick Hucknalls „Simply Red“ bringen bald ihr zwölftes Studioalbum heraus. Es klingt - zumindest in Teilen - erstaunlich ruppig und funky.
Alterskrise? Rentner-Ruhe? Von wegen. Ich bin zwar jetzt auch schon fast 60, aber die Party soll weitergehen – eher solche Gedanken dürften Mick Hucknall durch den Kopf gegangen sein, als sich an die Songs für das neue „Simply Red“-Album „Blue Eyed Soul“ (BMG, erscheint am 8. November) machte. Wer die zehn neuen Lieder durchgehört hat, wird jedenfalls zum Schluss kommen: Selten klang diese Band so ruppig-wild, so wenig glattgebürstet wie auf diesem zwölften Studio-Longplayer.
Die Band ist eine bestens eingespielte Maschine
Die Produktion wurde im Studio von Mark Knopfler eingespielt. Das Etablissement bietet offenbar ideale Voraussetzungen für Sessions. Die Stones haben dort ebenfalls ihr jüngstes Album eingespielt. Hucknall beteuert, fast alles sei live eingespielt worden, es habe nur hier und da kleinere Nachbesserungsarbeiten gegeben.
Aber das hört man auch. Das „Simply Red“-Kollektiv, das im Laufe der Jahrzehnte mehr als 60 Millionen Tonträger unter die Leute brachte, erweist sich einmal mehr als eine bestens eingespielte Maschine. Die Herrschaften hatten aber auch hörbar Spaß an der dieses Mal oft sehr funkigen, zupackenden, fast schon kratzbürstigen Herangehensweise. Manchmal klingt das fast nach James Brown. Beispielsweise bei „Don’t Do Down“ oder der Single „BadBootz“ gibt es ordentlich funky was auf die Zwölf.
Allerdings wird der ein oder andere sanfter gestimmte „Simply Red“-Fan in diesem selbstgewählten Minimalismus, der dann sogar auf nur einem Akkord verharrt, die pure Langeweile empfinden. Für diese Fangruppe ist es erfreulich, dass Hucknall ein paar handzahme, zuckersüße Nummern einstreut wie „Tonight“ oder „Take A Good Look“. Und der Opener „Thinking Of You“ wackelt sogar lässig in Richtung Disco-Party-Tanzfläche.
Ein Hustenbonbon zu wenig gelutscht
Die Stimme des Frontmanns steht ohne Frage noch voll im Saft; geschmeidig auch in den Höhen, stark im Ausdruck, perfekt im Timing. Sie ist allerdings inzwischen deutlich tiefer als in den ersten Schönklang-Jahren dieser bemerkenswerten Sängerkarriere. Und sie hat erheblich raues Patina bekommen. Beim souligen Schmuser „Complete Love“ klingt Hucknall fast, als ob er ein Hustenbonbon zu wenig gelutscht hätte. Es ist sogar eine gewisse Timbre-Verwandtschaft mit der singenden Erkältung Rod Stewart hörbar. Das hat seinen Reiz, aber man muss sich dran gewöhnen.