Berlin. . Nach sieben Jahren melden sich Seeed mit „Bam Bam“ zurück. Das Album klingt anders als frühere Werke, kann aber trotzdem überzeugen.
Wann immer Seeed ein neues Album veröffentlichen, treten sie in große Fußstapfen. Und zwar in jene, die sie selbst hinterlassen haben. Eine vergleichbare (Big-)Band gibt es im deutschsprachigen Raum nicht. Seit die Berliner Ende der 90er-Jahre antraten, um einen lässigen und gleichzeitig hochenergetischen Mix aus Reggae, Dub, Dancehall und Rap in den Mainstream zu katapultieren, einigen sich auf Seeed die Musikhörer quer durch alle Genres. Auf der Bühne waren die elf Musiker eine Offenbarung.
Sieben Jahre sind vergangen, seit Seeed zuletzt ein Album veröffentlicht haben. Eine lange Zeit, da passt viel hinein. Spannendes wie Solokarrieren und Nebenprojekte. Aber auch etwas sehr Tragisches: Am 31. Mai 2018 verstarb einer der drei Sänger, Demba Nabé, überraschend. Die Band hatte da schon das „Comeback“ geplant. Die angekündigten Tourtermine waren über Nacht ausverkauft.
Ein traurig-schöner Abschied
„Irgendwann ist alles vorbei/doch so sieht der Deal aus/ich würd’ ihn wieder nehmen“, heißt es in dem Song „Ticket“, der das Album eröffnet und Demba Nabé gewidmet ist. Pierre Baigorry (alias Peter Fox) singt die Zeilen über einen sanft abgefederten Beat, hin und wieder kommen Bläser dazu. Das ist so traurig-schön und hoffnungsvoll, dass man die Band dafür umarmen will. Der Song stellt auch ein bisschen die Temperatur ein für das Album: mittelwarm.
Spätestens bei „Geld“, dem ironischen Lobgesang auf die Raffgier, präsentiert die Band zwar eine erste Nummer für die Tanzfläche, aber das Ungestüme fehlt, die explosiven Knaller mit Pauken und Trompeten. Die Beats sind geschliffen und gebügelt. Sie tänzeln, aber sie treiben nicht. Seeed sind heute die „elder statesmen“ ihres Genres.
Die dahingaloppierenden Dancehall-Caballeros von damals sitzen gut genährt und mit Drink in der Hand im Liegestuhl und bauen Songs zum Chillen und Nachdenken. Ist in Ordnung. Solange sie auf der Bühne noch vollen Körpereinsatz zeigen.
Die Texte werden ernster
Auch die Themen sind reifer. Es geht nicht mehr vordergründig um Selbstdarstellung, heiße Flirts auf dem Dancefloor und halblegale Substanzen. Besungen wird neben dem bereits Erwähnten etwa die Sexyness von Cellulite („Lass das Licht an“ mit Deichkind) oder ein Zwist mit der Freundin („Sie ist geladen“ mit Rapperin Nura).
Nicht alles davon geht so rein wie die Hits von früher. Aber eloquent ist das fast immer. Der Sprechgesang von Baigorry ist in seiner launig-coolen Art und Intonation einzigartig, dazu gesellt sich die nasale Stimme seines Partners Dellé: „This is Seeed, y’all“ stellt der fest und erklärt, was Sache ist. Das ist immer noch Oberliga, bitteschön.
„Bam Bam“ erfüllt das, was möglich wäre, vielleicht nicht ganz. Aber um sich für die nächste Live-Show warmzuhören, taugt das Album auf jeden Fall.
Seeed >> Bam Bam
BMB (Warner), Wertung: 4 / 5 Pkt.