Hilchenbach. Die Belcanto-Spezialistin Lucia Aliberti stellt weniger bekannte Verdi-Opern in Essens Philharmonie vor. Im Interview erklärt sie die Verbindung von Singen und Kochen.

Lucia Aliberti lernt. Die Sizilianerin, die sonst auf den großen Bühnen der Welt erscheint, steht bei Erich Steuber im Restaurant „Siebelnhof” in Hilchenbach hinter dem Herd. Lässt sich die Tricks der westfälischen Küche erklären. Und ist mit Fleisch, Fisch und Pasta glücklich. Beim Interview will die gefeierte Sängerin zuerst gar nicht über die Kunst des Belcanto sprechen. Doch dann erklärt sie die Verbindung zwischen Singen und Speisen:

Lucia Aliberti: Wer gut kochen will, braucht Liebe, Geschmack, Geduld und Wissen um das Beste. Genau darum geht es auch beim Singen. Belcanto, das ist der „schöne Gesang”. Seine Kennzeichen sind Schönheit und elegante Einfachheit.

Frau Aliberti, Sie haben bei dem legendären Tenor Alfredo Kraus studiert. Woher kommt es, dass die romantische italienische Belcanto-Tradition praktisch ausgestorben ist?

Lucia Aliberti: Das weiß ich auch nicht, leider. Vielleicht liegt es daran, dass alle alles singen. Ich bin bei meinem Repertoire geblieben: Rossini, Bellini, Donizetti, Verdi. Dafür wurde ich oft kritisiert. Doch für mich ist es wichtig, die Kultur des Singens, die man für die Werke dieser Komponisten braucht, zu perfektionieren.

Auf ihrer neuen CD „Verdissimo“ singen Sie Arien aus Opern Giuseppe Verdis, die kaum jemand kennt.

Lucia Aliberti: Das sind wunderbare Stücke! Sie zeigen, wie sich Verdi entwickelt hat. Und sie sind extrem schwer zu gestalten. Nehmen wir „Un giorno di regno“, Verdis zweite Oper: Da spürt man noch den Einfluss Donizettis. Die Arie der Giulietta singe ich auch in meinem Konzert in Essen. Oder Verdis „Alzira“: Wie fast immer besteht der große Auftritt der Primadonna aus drei Teilen: der Szene, der Cavatina – die eigentliche Arie – und dem schnellen, oft virtuosen Abschluss, der Cabaletta. Verdi schreibt schwierige Tempowechsel vor. Man muss sehr aufmerksam sein, um den Charakter der Person musikalisch ausdrücken zu können.

Was ist daran „Belcanto“?

Lucia Aliberti: Das Gespür für die Melodie. Die Farben in der Stimme. Die Phrasierung. Das Legato, also die perfekte Bindung der Noten. Und vor allem der Atem. Mich schreiben junge Sänger aus aller Welt an und fragen, woher ich meinen langen Atem habe. Schauen Sie, zum Beispiel in Bellinis „Puritanern“ teilen andere Sängerinnen die langen Phrasen, schneiden die Töne auseinander. Ich nicht. Ich singe auch immer die Cabaletta zwei Mal, und mit Variationen in der Wiederholung.

Wenn es in den frühen und mittleren Opern Verdis so viel Schönes gibt, warum werden sie so selten gespielt?

Lucia Aliberti: Vielleicht fehlt die Aufmerksamkeit: Sie werden es in Essen hören, wo ich auch aus „Attila“ und „I due Foscari“ singen werde. Die Arien scheinen alle gleich zu sein. Aber wer genau hinhört, wird ihre Dramatik und ihre herrlichen Melodien erspüren.

Was sind Ihre Pläne für das nächste Jahr?

Lucia Aliberti: Zu gerne würde ich einmal Donizettis „Maria di Rohan“ oder „Poliuto“ singen. In Planung sind einige Gala-Konzerte, außerdem Bellinis „Norma“ in Lima/Peru, ein Liederabend beim Savonlinna-Festival in Finnland und ein Konzert am 16. Juli auf dem Berliner Gendarmenmarkt.

Lucia Aliberti ist schon eine gute Bekannte für die Besucher der Essener Philharmonie. Für ihre italienische Operngala am Freitag, 4. Dezember, 20 Uhr, mit Arien aus weniger bekannten Verdi-Opern gibt es noch Karten (ab 18 €) an der Abendkasse oder unter 0201-8122 200. http://www.philharmonie-essen.de/