Essen. . Thomas Anders tourt nach fast 40 Jahren Karriere erstmals durch Deutschland. Im Interview spricht er über Schlager, Dieter Bohlen und DSDS.

80er-Disco-Pop mit Modern Talking war gestern, deutschsprachiger Schlager ist heute: Thomas Anders hat sich komplett neu erfunden. „Ewig mit dir“ heißt sein aktuelles Album, das er im Mai nebst vielen Klassikern seiner alten Band live vorstellen wird. Über die anstehende Tour, die aktuelle Entwicklung des deutschen Schlagers und natürlich Ex-Partner Dieter Bohlen sprach der 55-Jährige mit Patrick Friedland.

Herr Anders, Sie gehen mit dem Album „Ewig mit dir“ auf „Ewig mit euch“-Tour. Eine flammende Liebeserklärung an Frau und Fans?

Thomas Anders: Tatsächlich steht „Ewig mit dir“ gar nicht für mich und meine Frau, ihr habe ich einen anderen, viel persönlicheren Song gewidmet („Hätt’s nie ohne dich geschafft“, Anm. d. Red.). „Ewig mit euch“ ergibt sich logischerweise aus dem Albumtitel und ist natürlich schon an die Fans gerichtet.

Sind Sie vor Live-Auftritten noch nervös?

Generell nicht. Aber jetzt, vor meiner allerersten Deutschland-Tour, merke ich eine gewisse positive Nervosität - denn das Programm, das ich dann vorstelle, ist etwas komplett Neues. Eine durchkonzipierte Show, bei der alles zu 100 Prozent sitzen muss, eben nicht nur die mir vertraute Mischung aus englischsprachigen Solosongs oder Modern-Talking-Hits, die ich in den vergangenen Jahren gesungen habe. Nun kommt ein ganz neues Publikum mit besonderen Erwartungen dazu – die es zu erfüllen gilt.

Gar nicht mal so lange her: 2017 eröffnete Thomas Anders die Cranger Kirmes mit einem 40-minütigen Auftritt.
Gar nicht mal so lange her: 2017 eröffnete Thomas Anders die Cranger Kirmes mit einem 40-minütigen Auftritt. © Ralph Bodemer

Warum touren Sie erst nach fast vier Jahrzehnten erstmals solo in Deutschland?

Nach dem Ende von Modern Talking war ich vor allem im Ausland gefragt und es ergab sich somit keine Notwendigkeit für mich. Heute hat sich mir durch die neuen deutschsprachigen Songs, die wirklich gut laufen, zusätzlich ein neuer Zuschauer- und Hörerkreis eröffnet. Es wuchs die Idee in mir, ein Programm zusammenzustellen, das meine 40 Jahre als professioneller Künstler Revue passieren lässt. Natürlich mit den Hits von Modern Talking und vielen Songs, die die Menschen kennen.

Sie haben fast 120 Millionen Platten verkauft. Haben Sie überhaupt noch Ziele?

Weiterhin erfolgreich bleiben. Für jede Handlung, die wir tun, gibt es zwei Antriebsmodelle: Entweder möchte man Anerkennung und Liebe – oder Geld. Wenn das dem Künstler Freude bereitet, ist es wunderbar. In meinen Augen ist es die Aufgabe als Unterhaltungskünstler, die Konzertbesucher in eine andere Welt zu entführen, dafür zu sorgen, dass sie ihre Sorgen mal für zwei Stunden nach hinten schieben können und wieder Kraft zu schöpfen.

Warum singen Sie nach all den Jahren wieder deutschen Schlager?

Deutscher Schlager und generell deutschsprachige Musik haben sich in den vergangenen zehn Jahren sehr zum Positiven verändert. Speziell auf den Schlager gemünzt, hat sich die Sprache verjüngt, auch die Produktionen sind eher im Pop anzusiedeln und haben nichts mehr mit Schlager-Produktionen von früher zu tun. Es sind Pop-Songs, mal leichter, mal tiefgründiger. Daran wollte ich mich einfach mal ausprobieren. Ich weiß, wovon ich rede, schließlich habe ich vor fast 40 Jahren mit deutschem Schlager angefangen. Da gab es ganz andere Texte, ganz andere Vorgaben, damit ein Song im Radio gespielt wurde.

Zum Beispiel?

Sänger mussten zum Beispiel alles perfekt aussprechen. Zudem wurde nicht jedes Wort geduldet. Nicht nur, weil die Wörter vielleicht anzüglich waren, sondern auch, weil sie einfach nicht schön klangen. Schlager waren damals Märchenerzählung, eine Filtrierung aus angenehm klingenden Worten, die man in Reime gefasst hat. Heute nutzt man Wörter, die nicht sexy klingen, aber Situationen viel direkter beschreiben.

Sehen Sie darin auch einen Grund für die stark steigende Popularität des deutschen Schlagers?

Absolut. Kürzlich hatte ich eine Begegnung mit einem Mittdreißiger, der vor zwei, drei Jahren großer Schlager-Fan wurde und meinte, dass er sich in meinen Geschichten wiederfindet. Zuvor hatte er sich für diese Musik nicht interessiert, weil ihm alles zu seicht war. Heute sind die Texte nachvollziehbarer, die Musik hat mehr Drive, Druck und Beat.

Ein Grund für den Schlager-Boom ist sicher der Erfolg von Helene Fischer – haben Sie sich bei Ihrem Stilwechsel von ihr inspirieren lassen?

Helene hat natürlich große Verdienste und den Sound noch breitenkompatibler gemacht. Aber das ist nicht das, wo ich hin will. Ich werde jetzt auch nicht bei meinen Konzerten durch brennende Reifen springen (lacht).

Was hören Sie eigentlich privat? Auch Schlager?

Ich setzte mich zuhause nicht hin, um bewusst Musik zu hören. Meist läuft Chillout-/Lounge-Zeug, das ist einfach schöne Hintergrundmusik. Im Auto läuft das Radio, ich wechsle dann immer zwischen den Programmen. Aber mal ehrlich: Wenn man in Deutschland ein paar Stunden am Stück Radio hört, hat man ja alle Titel durch.

Ist diese Kritik auf die sogenannten „neuen deutschen Pop-Poeten“ gemünzt? Was halten Sie von Max Giesinger & Co.?

Ich habe manchmal das Problem, dass ich die Lieder nicht erkenne und mich dann frage, wer diesen Song tatsächlich gesungen hat. Hätte ich nicht Shazam (mobile App, die laufende Musik erkennt, Anm. d. Red.), würde ich auch nicht erfahren, wer den Song gerade singt. War es jetzt Giesinger, war es Oerding? Viele Songs finde ich toll, aber ich habe langsam das Gefühl, dass in diesem Musikbereich alle Geschichten erzählt und alle Worte aufgebraucht sind. Dieses Genre sollte in Zukunft aufpassen, dass die Texte nicht zu konstruiert wirken, um zwanghaft aus der Masse rauszustechen.

Aus der Masse heraus stachen sicherlich Modern Talking. Glauben Sie, dass sich die Hallen auch füllen würden, wenn Sie die alten Hits nicht sängen?

Das weiß ich nicht. Aber wie viele Fans wären denn enttäuscht, wenn ich die Lieder von Modern Talking nicht singen würde? Bei dieser Tour geht es um die Person Thomas Anders, darum, ein musikalisches Gesamtpaket zu erleben. Da kann ich eine internationale Ausnahmekarriere wie die von Modern Talking nicht einfach unter den Tisch fallen lassen.

Eine der erfolgreichsten deutschen Bands aller Zeiten: Modern Talking (hier bei einem Auftritt 2002).
Eine der erfolgreichsten deutschen Bands aller Zeiten: Modern Talking (hier bei einem Auftritt 2002). © Wulf Pfeiffer

doch nicht einfach außen vor lassen.

Können Sie die Songs eigentlich live singen, ohne dass Ihnen dabei Dieter Bohlen im Kopf herumspukt?

Ohne Probleme (lacht). Wir haben uns vor 16 Jahren getrennt, das hat sich im Laufe der Zeit verselbstständigt. Zudem arrangieren wir die Songs alle drei Jahre neu, so sind die Songs in den letzten Jahren auch zu etwas ganz Eigenständigem geworden.

Wie wäre es stattdessen mit einer Reunion von Modern Talking in der Jury von „Deutschland sucht den Superstar“?

Für die Quote wäre es super und bei RTL würden sich alle freuen. Aber ich glaube nicht, dass das passieren wird. Der ausschlaggebende Punkt, warum ich bei „X Factor“ auf Sky mitmachte, war die Idee hinter diesem Format und vor allem die Musikalität, die im Vordergrund steht. Der Ansatzpunkt von DSDS ist hingegen nicht mein Ding.

>>> INFO: Thomas Anders auf „Ewig mit euch“-Tour

Termine: 16.5. Frankfurt (Jahrhunderthalle), 18.5. Köln (Palladium), 19.5. Oberhausen (König-Pilsener-Arena). Karten ab ca. 48 €.