Essen. . Max Kennel und Jonas Meyer füllen mit ihrer Konzertcomedy ganze Hallen. Im Interview spricht das Duo über Konfetti, Hochzeiten und Politik.

Kennengelernt beim Poetry Slam 2011, entdecken Max Kennel (27) und Jonas Meyer (29) schnell ihre ganz eigene Sparte, um sich ihrer Generation mitzuteilen. Konzertcomedy nennt sich das – Lieder singen und Geschichten erzählen, die vor Selbstironie, Humor und auch Nachdenklichkeit nur so strotzen. Aktuell ist Das Lumpenpack mit dem Album „Die Zukunft wird groß“ unterwegs. Maxi Strauch sprach mit dem Duo über problematische Teenager-Jahre und darüber, wie die Zukunft für Endzwanziger aussieht.

Wie schafft man es mit einer Gitarre, zwei Stimmen und viel Konfetti ganze Hallen zu füllen?

Max Kennel: Ich glaube, genau mit diesem Minimalismus. Es überrascht die Leute selbst, dass das reicht.

Jonas Meyer: Wir erleben das vor allem bei Festivals. Wenn wir da auflaufen, merken wir schon, dass die Leute im ersten Moment denken „Oh shit, wie soll denn das jetzt funktionieren?“. Vor uns spielen dann Bands, die sieben Synthies, einen E-Bass, vier Frontmänner und -frauen haben. Und dann kommen wir – aber dann merken die Leute nach einem Song, dass das ja doch funktioniert. Die denken sich, irgendwas müssen die beiden ja haben …

Vor allem ganz viel buntes Konfetti. Sehr umweltfreundlich ist das aber nicht ...

Jonas: Völlig richtig. Für Open-Air-Auftritte haben wir abbaubares Konfetti, da muss es dann nur einmal regnen. Aber ja, ansonsten ist es nicht nachhaltig, aber es macht auch richtig krass viel Spaß. Das ist es uns wert. Einen Tod muss man eben sterben.

Gleicht ihr das irgendwie aus?

Jonas: Ich habe einen wiederbefüllbaren Kaffeebecher, aber ich bezweifle, dass das reicht … Aber wir haben schon Kontakt zu einer Firma aufgenommen, die nachhaltiges Konfetti herstellt. Ein Student hat Konfetti aus Blumensamen entwickelt, das sich zersetzt und zu bunten Blumenwiesen wird. Ich bin aber gespannt, ob er das in den Mengen, die wir brauchen, produziert bekommt (lacht)… In den Hallen ist das aber weiterhin schwierig …

Euer bekanntester Song ist Guacamole, ein Lied über die neue Spießigkeit auf Partys. Mögt ihr den Avocado-Dip überhaupt noch, so oft wie ihr schon darüber gesungen habt?

Max: Mochte ich noch nie. Ich mag nichts mit Avocado.

Jonas: Ich habe jetzt gelesen, dass das eine ganz schlimme Frucht sein soll, weil sie so viel Wasser benötigt. Und wenn wir es schaffen, durch unseren Song, die Leute davon abzuhalten, Guacamole zu essen, weil sie sich sonst spießig fühlen. Dann haben wir unseren Konfetti-Verbrauch wieder ausgeglichen. Das ist der grüne Fußabdruck, den wir hinterlassen! (lacht)

In euren Texten bekommen viele Personengruppen ihr Fett weg – Stichwort Heilpraktiker. Wie viele unschöne Mails bekommt ihr pro Tag?

Max: Ganz wenige. Weil das ja alles mit so einem „Frechdachs-Charme“ vorgetragen wird. Die Leute, die uns eigentlich hassen müssten, nehmen uns eher nicht ernst. Die meisten können darüber lachen.

Gibt es für euch denn eine Grenze?

Jonas: Generell nach unten treten ist immer schlecht. Das heißt, sich mit einem Augenzwinkern nach oben gegen Missstände oder Personengruppen zu erheben, ist immer leichter. Auf die Idee kämen wir auch nicht.

In euren Liedern geht ihr mit dem Alter: Am Anfang ging es um Partys, jetzt spielen Hochzeiten eine Rolle. Was kommt in fünf Jahren?

Jonas: Die gut bezahlte Frührente.

Das hören einige Fans gar nicht gerne ...

Max: Hoffentlich nicht die Scheidung! Das ist ja ein normaler Prozess, denke ich. Wir werden erwachsener, aber auch die Leute, die uns begleiten und hören. Man beschäftigt sich immer mit Dingen, die um einen herum passieren. In fünf Jahren ist es wohl der Carport.

Und irgendwann dann Haftcreme und Rollator?

Max: Das wäre super!

In „Miriam“ geht’s um Teenager-Probleme. Sprecht ihr da aus Erfahrung?

Jonas: Absolut. Ich war schon eine fortgeschrittene Miriam.

Max: Ich war auch ein sehr garstiges Kind. Ich war nicht bereit zu helfen. Ich hatte zwei ältere Schwestern und da wurde ich sehr verwöhnt. Da gewöhnt man sich dran. Und wenn die dann ausziehen, möchte man immer noch gerne all die Privilegien genießen, die man davor hatte.

Jonas: Ich bin genau das Gegenteil, ich bin Erstgeborener, aber selbst ich hatte oft das Gefühl, bestimmte Dinge einfach nicht verstehen zu müssen oder habe bestimmte Dinge nicht verstanden, für die ich mich heute arg schäme. Damals habe ich einen Mega-Terror gemacht, zwei Wochen später hat schon niemand mehr darüber geredet und das war mir auch lieb so.

Welche Probleme hat man denn jetzt als Endzwanziger?

Max: Das größte Problem ist, dass es unserer Generation zu gut geht, also global gesehen. Für den individuellen Endzwanziger ist das größte Problem, dass er noch nicht weiß, ob das Erwachsensein jetzt endgültig angefangen hat. Ich glaube, sich zu finden in diesem Post-Studium-Umfeld ist schon krass schwierig. Das merke ich selbst jeden Tag, dass ich denke, muss ich jetzt Bescheid wissen, muss ich erwachsener rüberkommen, wenn mich ein 15-Jähriger betrachtet? Wie weit bin ich dem voraus? Hab ich jetzt mehr Ahnung?

Ihr habt mal gesagt, ihr werdet nicht politisch auf der Bühne. In „Eva P.“, ein Lied über die fiktive Tochter von Frauke Petry, klingt aber ein Statement zumindest gegen die AfD mit.

Max: Zeiten ändern sich. Früher hatten wir wirklich das Gefühl, wir rennen offene Türen ein und so ist es auch nach wie vor. Denn wenn wir uns vor unserem Publikum politisch äußern, äußern wir uns vor einem sehr linken Umfeld, zumindest auf gar keinen Fall vor einem rechten. Aber das hat sich geändert. Zum einen muss man es wegen des politischen Klimas jetzt endgültig tun. Zum anderen haben wir eine gewisse Bekanntheit erreicht, dass uns nicht mehr nur unsere eigenen Fans zuhören.

Jonas: Also jede Hassmail, die auf „Eva P.“ eingeht, ist eine schöne Hassmail, weil wir dann wissen, dass sich irgendjemand daran gestört hat. Und das ist der Effekt, den wir erreichen wollen. Und uns ist es auch extrem wichtig, diese Position mal laut und öffentlich kundzutun. Obwohl allen Fans schon im frühen Stadium klar war, wo wir uns positionieren.

Ist es der richtige Weg, solche Statements humorvoll anzugehen?

Jonas: Es ist eben unser Weg, den wir gehen können. Und es gibt ganz viele andere, die da tolle Wege und Zugänge finden, die nicht unbedingt lustig sind. Da gibt es keinen „besten Weg“.

Wird es in Zukunft mehr politische Texte von euch geben?

Max: Das lässt sich leider nicht so genau planen. Wir setzen uns nicht hin und sagen, wir schreiben jetzt ein politisches Lied. Wenn wir eine gute Idee haben, dann auf jeden Fall!

Jonas: Uns wäre es natürlich lieber, wenn wir das nicht mehr tun müssten, weil sich politisch auf einmal alles glättet und ebnet. Sich viele Probleme in Luft auflösen und keine Missstände mehr anzuprangern wären – aber das ist utopisch.

Max: Das wird zumindest dauern.

Termine: Das Lumpenpack – „Die ­Zukunft wird groß“ live:
4.12. ­Dortmund (FZW), 5.12. Wuppertal (Die Börse), 22.1. Bielefeld (Forum). ­Tickets gibt’s ab ca. 25 €.