Düsseldorf. Im Düsseldorfer Stahlwerk gab sich die Britpop-Ikone fit, gut gelaunt und rockig und zeigte sich nicht wie zuletzt als kränkelnde Diva, die sich mit fünfzig den derben Gepflogenheiten eines Rock-Konzerts verweigert.
Die letzten Nachrichten von Morrissey-Konzerten gaben Anlass zur Sorge. In Swindon schwanden der Britpop-Ikone die Kräfte, in Liverpool verließ er mitten im zweiten Song die Bühne, weil ihn ein „Fan“ einen Bierbecher an den Kopf geworfen hatte. Und in Hamburg ließ er einen Besucher von der Security aus dem Saal führen, nachdem dieser ihm ein herzliches „Fuck you“ zugerufen hatte, sicherlich nicht die Art von Bemerkung, mit dem man sich bei seinem Star beliebt machen kann.
Die kränkelnde Diva
Man kommt schon ins Grübeln. Eine kränkelnde Diva, die sich mit fünfzig den derben Gepflogenheiten eines Rock-Konzerts verweigert? Vielleicht, aber im Düsseldorfer Stahlwerk wurde nichts geworfen, sondern überreicht. Ein glücklicher Fan durfte dem Helden eine rare David Bowie-LP schenken, und Morrissey zeigte sich ebenso gut gelaunt wie fit, vielleicht hatte ihn die rheinische Luft beflügelt.
Begrüßt hatte er das Publikum mit einem Vers, in dem sich muscle, hustle und dussel-dorf in exzentrischer Mixtur reimten, hatte in der Umbaupause nach der seltsamen Vorband Kick and the Dolls mit Videos von solch unterschiedlichen Künstlern wie Nico, Shocking Blue und Joe Dolan unterhalten und startete mit „This Charming Man“ fulminant in einen achtzigminütigen Set, der wenig Raum zum Atmen ließ.
Und irgendwann denkt man an das letzte Konzert in Düsseldorf, vor drei Jahren in der Philipshalle. Damals war es ein Paolo Pasolini-Backdrop, das den Hintergrund eines bewegenden Konzerts bildete, dieses Mal ist es Walter Chiari, auch ein Italiener, der in Fellinis „La Dolce Vita“ mitspielte. Leichtgewichtiger ist es alles, schnell dahingespielt, von der Band um den treuen Gitarristen Boz Boorer, mit viel Drama innerhalb der Songs, mit wenig Sinn für die Dramatik des Ablaufs.
Nicht bewerfen und nicht beleidigen
Der Klassiker „How Soon is Now“ wird, wie ein Besucher meinte, in einer Rammstein-Version dargeboten, mit im wahrsten Sinne blendenden Lichteffekten und wie vieles an diesem Abend eher rockend als romantisch. Manch einer der 1700 Fans sah sich nach dem Umzug von der Philipshalle ins Stahlwerk gar dem Gast gleich, der für den Italiener an der Ecke gebucht hat und kurzfristig in die Imbissbude nebenan komplimentiert wird. Offenbar ist auch mit knapp über fünfzig Euro für ein Rockkonzert die Schmerzgrenze erreicht. Dafür gab es ein gutes Morrissey-Konzert, mit der großen Magie der „Cemetery Gates“, dem enthusiastischen „I`m Throwing My Arms Around Paris“, und freuen wir uns, dass es ihn gibt, denn „Some Day Goodbye will be Farewell.“
Also bitte, den Sänger nicht bewerfen und auch nicht beleidigen.