Obwohl erst zarte 20 Jahre alt, bringt die englische Soul-Sängerin und Songschreiberin ihren Auftritt souverän und stark auf die Bühne. Sie überrascht - auch durch ihren frühen Abgang
Köln. Vor dem Konzert im Kölner Palladium noch schnell ins Internet, recherchieren. "Introducing Joss Stone" - frei übersetzt Gestatten: Joss Stone - heißt das dritte und aktuelle Album der Engländerin. Auf dem sei sie "ganz sie selbst", würde ihre "wahre musikalische Vision" zum Ausdruck bringen. Irritiertes Augen reiben - Was hat Joss Stone dann vorher gemacht? Und vor allem: Wie hat sie es gemacht, dass sie mit ihrer zweiten Platte "Mind, Body & Soul" im Jahr 2004 trotzdem als jüngste Künstlerin Platz eins der britischen Charts erobert hat?
Bis Joss Stone loslegt, ist es spät geworden, die gut 3500 Palladiums-Besucher müssen den ersten Sand aus den Augen reiben. Dann betreten die Musiker die Bühne, der Chor folgt, und . . . Augen reiben. Da kommt ein Mädchen, oder junge Frau, erst zarte 20 Jahre alt - und hört sich an und bewegt sich, als sei sie schon ewig im Geschäft. Diese Zweiseitigkeit zieht sich weiter: über ihr Outfit - ein schicker Glitzer-Rock zum poppigen rosafarbenen Top - bis zum Publikum. Viele Fans könnten Stones Eltern sein, etliche aber auch Bruder oder Schwester.
Sie singt: Soul, ein bisschen Rhythm'n'Blues der 70er, erinnert an James Brown, an Sade, an die Supremes, aber auch an die Fugees. Es klingt, als gäbe da eine "big mama" ihre Kunst zum Besten, so viel Volumen und Kraft schickt Stone durch das Mikro. Dabei trägt sie Konfektionsgröße 38 - maximal. Augen reiben.
Mit drei Songs von der neuen Platte steigt die Engländerin ein, die Rückmeldung fällt recht verhalten aus. Mit dem energischeren "Super Duper Love" vom Erstling "Soul Sessions" nimmt sie Tempo auf, bringt das Volk in Wallung. Kurzes Atemholen, sie stützt sich auf den Mikroständer, und blickt zur Band: "Right?", fragt sie, halb gehaucht, halb gekrächzt, und weckt Erinnerungen: an ausgiebigen Zigaretten- und Whiskey-Konsum, oder aber an die einzigartige Stimme von Janis Joplin. Wie stellt sie das an? In ihrem Genre ist sie noch ein Küken, und doch diktiert sie ihrer Band das Tempo. Stone ist nach innen und außen Frontfrau. Augen reiben.
Dann dreht sie auf: mit ihrer Liebeserklärung zur Musik ("Music"), mit "Bruised But Not Broken", mit ihrem Hit "You Had Me" und schließlich mit dem sehr groovigen (sprich: gruuuuwigen) "Tell Me 'Bout It". Dann ist Schluss, nach nur 60 Minuten. Zwei Zugaben schickt sie hinterher, dann wird schon das Licht angeknipst. Augen reiben - weil das Konzert so kurz, und doch so gut war.