Essen. New Model Army können der Finanzkrise durchaus eine positiv Seite abgewinnen: Sie sehen die Zocker als Lügner entlarvt, auch wenn sie nicht glauben, dass sich dadurch etwas bessert. "Today Is A Good Day" heißt das neue Album und damit der jüngste rockige Kommentar zum Weltgeschehen.

Man muss sich schon gut überlegen, wem man in diesen Tagen noch Vertrauen schenkt. Banken zum Beispiel haben sich ja eher als schlechte Adresse entpuppt. Volles Vertrauen darf man hingegen der Musik von New Model Army entgegenbringen, die seit fast 30 Jahren ebenso scharfe wie rockige Kommentare zum Weltgeschehen liefern, nun zur Finanzkrise. „Today Is A Good Day” lautet die schadenfrohe Zeile, die sie zum Titel des neuen Albums auserkoren.

„Wir dürfen uns nicht einbilden, dass die Banker in irgendeiner Weise aufgehört hätten zu zocken”, sagt Sänger Justin Sullivan. „Im Gegenteil. Sie wissen ja jetzt, dass die Regierung sich schützend vor sie stellt. Also können sie ganz ungehemmt den Karren in den Dreck fahren.” An die reinigende Kraft einer solchen Krise hat der Songschreiber keinen Moment lang geglaubt. Er findet dennoch, dass die Krise eine gute Seite hat. „Die Zocker können sich nach dem Crash nicht mehr einfach vor die Kameras stellen und uns erzählen, wie clever sie sind. Und tun sie es doch, dann wissen wir, dass sie lügen.”

Intelligent, nicht verkopft

Ein hübscher Haufen ideologischer Ballast, mit dem Sullivan das elfte Studioalbum seiner New Model Army befrachtet hat – und das ist bloß der erste, fast schon schwermetallische Song. Doch keine Angst, die zwischen Folk und Punk pendelnden Rocker galten zwar immer als intelligent, aber nie als verkopft. Weshalb auch diese Platte Songs liefert, die schlicht das Erleben der Natur schildern („Ocean Rising”) oder einen Roadtrip durch die USA beschreiben („States Radio”). Und wenn man meint, einen Anflug von Morbidität aus Zeilen wie „Everything is beautiful / because everything is dying” herauszulesen und ähnliches feststellt in Sätzen wie „Peace is only for the dead and the dying”, hängt das eher mit den abgeklärten Lebenseinsichten eines rastlosen 53-Jährigen zusammen als mit seiner vermeintlichen Todesromantik.

"Immer auch von Dunkelheit begleitet"

Das wurde ihm umso bewusster, als kurz vor dem vergangenen Weihnachtsfest der langjährige Bandmanager und Begleiter Tommy Tee an einem Herzanfall starb. „Der Tod ist eben Teil unseres Lebens, unvermeidlich. Wir verdrängen das nur oft.” Tatsächlich erhielt Tee eine Widmung, die keineswegs morbide ist, nämlich den Song „North Star”, einen würdevollen Abschied von einem Weggefährten. „Die anderen Songs wurden größtenteils im Herbst letzten Jahres geschrieben. Der Herbst ist eine Jahreszeit, die ich sehr mag, daher meine Beschäftigung mit der Vergänglichkeit. Sie bezieht sich auf die Natur. Es wäre falsch, den Songs im Nachhinein eine andere Bedeutung zu geben.”

Es fiel Sullivan erstaunlicherweise nicht schwer, schon kurz nach diesem herben Verlust wieder auf Tour zu gehen, ohne seinen alten Freund. Im Gegenteil, es war eine gute Möglichkeit, die Gefühle herauszulassen. „Wenn man bei New Model Army spielt, dann ist man immer auch von Dunkelheit begleitet und kann seine Emotionen in die Auftritte einbringen. Wenn wir eine typische Popband wären, hätten wir etwas wie dies wohl kaum ertragen können. Stell dir doch mal vor, du musst in so einer Situation da rausgehen, lächeln und gute Laune heucheln. Das wäre für uns die Hölle gewesen.”

New Model Army, „Today Is A Good Day” (Alive). Live: 19.12. Köln, Palladium