Autor Adrian McKinty, der in Carrickfergus aufwuchs und heute in Melbourne lebt, entführt in seinem Krimi „Die Sirenen von Belfast“ in die blutigen Bürgerkriege der 80er Jahre: souverän und detailgenau, oft schnodderig, aber manchmal auch poetisch.

Ich wollt’ ich wär’ in Carrickfergus – unter all den vielen irischen Sehnsuchtsliedern ist dies vielleicht das anrührendste. Handelt es doch von der unerreichbaren Liebsten jenseits des großen Wassers. Auch Sean Duffys Laura, die coole Gerichtsmedizinerin, hat sich ans andere Ufer, nach Schottland geflüchtet, ehe Carrickfergus, das nahe Belfast und ganz Britisch- Nordirland im Sumpf der blutigen Konflikte versinkt, die nur von den Politikern als „troubles“, Probleme verharmlost werden. In Wahrheit ist dies – wir sind im Jahr 1982 - ein regelrechter Bürgerkrieg zwischen der katholischen Bevölkerung mit ihrer Befreiungs- oder auch Terrortruppe IRA – und den politisch dominierenden, fundamentalistischen Protestanten mit ihren Milizen.

Detective Inspector Duffy hat jedenfalls, Laura hin oder her, keine Zeit für Sehnsuchtslieder, sondern handfeste Probleme. Ein strukturelles: Er ist (wie es im Titel des vorigen Romans heißt) „der katholische Bulle“ in der meist protestantischen Polizei – und muss daher mit Misstrauen von beiden Seiten rechnen. Und ein aktuelles: die zerstückelte und kopflose Zweizentnerleiche im großen Reisekoffer. Der gehörte einem angeblich von der IRA ermordeten Hilfspolizisten. Dass Duffy sich in dessen herb-attraktive Witwe verliebt – kann natürlich nicht gut gehen! – gibt der Story eine tragische Note. Die diversen Mordfälle entpuppen sich als Gewirr von Familiengeheimnissen, dunklen Geschäften und Geheimdienstmauscheleien. Dass Duffy sie aufdeckt, wird ihm nicht gedankt, die politischen Drahtzieher versetzen ihn wieder auf die Straße, wo wir ihn in den nächsten blutigen Troubles aus den Augen verlieren. Dieser deprimierende Schluss hat nur ein Gutes: Da muss eine Fortsetzung kommen! Auf die ich mich jetzt schon freue – denn der Autor Adrian Mc Kinty, der in Carrickfergus aufwuchs und heute in Melbourne lebt, ist meine Krimi-Entdeckung des Jahres!

Souverän – und schnoddrig

Denn dies ist nicht nur ein Thriller nach allen Regeln der Kunst, sondern auch ein politisches Aufklärungsbuch, das allzu romantische Bilder von Irland korrigiert, gerade bei uns Deutschen. Es ist auch ein souverän und detailgenau, oft schnodderig, aber manchmal auch poetisch erzähltes Buch. Es brilliert mit witzigen Anspielungen auf Musik und Literatur, von Tom Waits bis Thomas Mann. Dass Sean Duffy ausgerechnet über dessen „Doktor Faustus“, dem deutschen „Sünden- und Schmerzenswerk“ einschläft, wollen wir ihm verzeihen. Er hat schließlich genug eigene Troubles.

Adrian McKinty: Die Sirenen von Belfast. Suhrkamp Nova, 387 S., 19,95 €