Im Flachland. . Zwei Platzhirsche erklimmen die Bestsellerlisten: Die Kommissare Kluftinger und Jennerwein garantieren Gaudi, denn heuer spielen Alpenkrimis mit den skurrilen Seiten der deutschen Provinz. Ein Blick aufs bergige Genre
Kluftinger hat’s am Herzen. Von Pressack und Kässpatzn stieg er um auf Gurkenschnitze mit Dip – und da ihn die Ermittlungen ohnehin in die Herzklinik führen, macht er dort gleich beim Yoga mit. Ja, Kreizhimmel, Herrgottsakra, ist die Welt nicht mal mehr im Allgäu in Ordnung?
Die deutsche Krimilandschaft weist heuer erstaunliche Höhenzüge auf. Als das Autorenduo Volker Klüpfel und Michael Kobr vor zehn Jahren einen Überraschungserfolg landete, ahnte kaum einer, dass der Alpenkrimi mal ein eigenes Genre würde. Nun aber schickt Andreas Föhr die Kripo Miesbach auf die „Schwarze Piste“, Rita Falk kocht in Niederkaltenkirchen „Winterkartoffelknödel“, in Kürze wird Nicola Förg den „Platzhirsch“ des Oberallgäus suchen. Und wenn nun Kluftinger in (und mit) „Herzblut“ ermittelt, kraxelt er Seit’ an Seit’ mit Jörg Maurers Kommissar Jennerwein auf den Bestsellergipfel. Was macht das bergige Genre so erfolgreich?
Kommissar der Herzen
Die Idylle, über die Gewalt und Tod hereinbricht wie ein Sommergewitter: Mit diesem Gegensatz spielt, was ein echter Provinzkrimi sein will. Der neue Kluftinger beginnt mit einem Blitzlichtgewitter: Der „Buchloer Taximord“ hat die nationale Presse ins Allgäu gelockt. Auf den brutal mit einem Schuss ins Herz ermordeten Taxifahrer folgt rasch die Herz-lose Leiche eines Versicherungsvertreters und ein tot im Bergseewasser treibender Herzchirurg – ganz schön blutig! Es geht um medizinische Studien – und um den Jahrmarkt im Herzen von Kempten, der für viele eine echte Herzenssache ist.
Volker Klüpfel und Michael Kobr beweisen mit diesem ungewohnt dramatischen Wurf, dass sie Spannungs-Garanten sein können. Und trotzdem Spaß-Granaten bleiben. Längst sind die beiden für ihre kabarettistischen Bühnenauftritte berühmt. Ihre derben Schenkelklopfer erlaubt so nur die Provinz. Wenn Klufti, grantelnd und liebenswert, mit seinem Handy hadert oder sich per Skype (Nickname „Butzele“) verstolpert, dann ist er dabei so tapsig, wie es selbst der schrulligste Großstadtkommissar nie sein könnte. Kluftis Allgäu ist ein Ort, an dem Diät ein Schmarrn ist – und eine Schwiegertochter aus Japan eine Sensation.
Der plappernde Klappspaten
„Ein Steinadlerpärchen kreiste, ein Murmeltier pfiff, die Berggeister schnatterten in den würzig duftenden Latschen“ – und auf der Wolzmüller-Alm sonnen sich fremdländische Gäste. Dass es sich um ein Klassentreffen internationaler Auftragskiller handelt, ahnt Almwirt Ganshagel aber erst, als er eine von Aaskäfern halbzerfressene Frauenleiche findet . . .
Auch Autor Jörg Maurer, der ähnlich wie Klüpfel/Kobr ein Vorleben als Lehrer und Vorlieben fürs Kabarett hat, spielt mit Klischees: Jennerweins Hilfskommissarin aus Recklinghausen heißt Nicole Schwattke (und ist auch so). Vor dem Hintergrund folkloristischer Piefigkeit aber entwickelt Maurer ein bisher unerreichtes Maß der Abstrusität: Wenn das Mordwerkzeug, ein Klappspaten der Marke Gartenfreund, zum redseligen Helden wird – dann mag man auch glauben, dass sich hier Fuchs und Has’ noch gute Nacht sagen.
Die urdeutsche Provinz bietet skurrile Typen, idyllische Flecken und Platz zum ironie- und bluttriefenden Leichenverscharren: kein Wunder, dass Krimi-Autoren hier zu Gipfelstürmern werden. Wie wirbt Maurer so schön für seinen „alpenländischen Kurort“: „Sterben, wo andere Urlaub machen“.
- Volker Klüpfel/Michael Kobr: Herzblut. Kluftingers neuer Fall. Droemer, 400 S., 19,99 €. Ebook 17,99 €. Hörbuch (gelesen von den Autoren): Osterwold, 10 CDs, 29,99 €
- Jörg Maurer: Unterholz. Scherz Verlag, 432 S., 16,99 €. Ebook 14,99 €. Hörbuch (gekürzte Autorenlesung): Argon, 12,99 €