Essen. Die Schriftstellerin Aléa Torik spielt mit Identitäten – auch ihrer eigenen. Nach dem gefeierten Debüt „Das Geräusch des Werdens“ legt sie nun ihren zweiten Wurf vor: „Aléas Ich“. Es ist ein Spiel mit der Wirklichkeit: Die Erzählfäden verwirren sich zunehmend, werden zu einem Gespinst. Einem Hirngespinst. Denn Aléa Torik gibt es nicht.
Im vergangenen Jahr debütierte die junge Deutsch-Rumänin Aléa Torik mit ihrem Roman „Das Geräusch des Werdens“; im Mittelpunkt stand ein Blinder, den der Zufall zum Fotografen gemacht hatte. Auch überregionale Feuilletons feierten das Werk der 29-Jährigen – „verrückt“, „lebensklug“, „außerordentlich“. Jetzt erscheint Toriks zweiter Wurf.
„Aléas Ich“ ist ein Spiel mit der Wirklichkeit: Zu Beginn sitzt die Autorin vor der ersten Seite ihres Romans, an dessen Entstehen sie uns teilhaben lässt. Sie lernt die bildschöne Russin Olga kennen, die ihre Mitbewohnerin wird. Sie besucht ihre Eltern im verschneiten Sibiu. Sie trifft Juan aus Barcelona und verliebt sich. Oder? Die Erzählfäden verwirren sich zunehmend, werden zu einem Gespinst.
Einem Hirngespinst. Denn Aléa Torik gibt es nicht.
Claus Heck wurde 1966 geboren, er wuchs auf in Essen-Frintrop und ging 1987 zum Studium der Philosophie und Literaturwissenschaften nach Berlin. Das Ziel: Schriftsteller werden. Das Problem: „Ich war in höchstem Maße unerfolgreich.“ 350 Absagen hat er in gut 20 Jahren erhalten: nie wurde er zu einem Wettbewerb eingeladen, nie erhielt er ein Stipendium, nie wollte ein Verlag sein Manuskript. 350 Absagen mal zwei Tage Arbeit für die Bewerbung mal zwei Tage Frustabbau gleich 1400 Tage: „Das sind fast vier vergeudete Jahre!“
Aléa Torik, die Bloggerin
Kurz: „Irgendwann war ich 40 und schockiert.“ Seine Freundin sagte „Roman oder ich“ – „und war dann auch weg“. Freunde rieten ihm, mit dem Schreiben aufzuhören. Aber er konnte nicht: „Schreiben ist das zentrale Ereignis meines Lebens.“ Allen Zufallswürfen des Schicksals zum Trotz.
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Die Sinnkrise war die Geburt Aléa Toriks. Aléa war nicht verbittert. Sie war jung und hochbegabt und promovierte zum Thema Fiktionalität in der Literatur. Weil Heck sich gerade um ein Stipendium in Sibiu, Rumänien, beworben hatte, dichtete er ihr rumänische Wurzeln an (das Stipendium erhielt er nicht). Weil Aléa Torik, die Bloggerin, viele Verehrer hatte, die sie kennenlernen wollten, erfand Heck Ausreden – die sich drehten um „die Mitbewohnerin, Olga, die beste Freundin Luise und den Exfreund Juan“. Plötzlich merkte er: „Da habe ich ja ein ganzes Romanpersonal beisammen!“
Und während Aléa Torik noch am zweiten Roman schrieb, fand sich ein Verlag für den ersten.
Heute ist Aléa Torik Hecks Autoren-Ich. „Einen Autor namens Claus Heck gibt es nicht“, sagt Heck. So tief hat ihn die stete Ablehnung getroffen, dass er die späte Anerkennung kaum zu genießen scheint. Dabei ist es vielleicht gerade das Wissen darum, „was eine Niederlage ist“, das seinen Romanen diesen wunderbar melancholischen Einschlag gibt — für den Aléa Torik jetzt gefeiert wird.
- Aléa Torik: Aléas Ich. Osburg Verlag, 424 S., 19,95 €.
- Lesung: Do., 28.2., 20 Uhr, Literaturhaus Köln.
- www.aleatorik.eu