Essen. Vincent Cassel spielt im Kinofilm "Public Enemy No. 1" Jacques Mesrine, den einst meist gesuchten Gangster Frankreichs. Für die Rolle hat er extra 20 Kilogramm zugelegt. Der Film ist die perfekte Mischung aus klassischem Gangsterkino und moderner Action.

Vorsichtig tritt der Mann auf die Straße hinaus. Er trägt Minipli, Vollbart, Sonnenbrille und steigt zu einer jungen Frau ins Auto. Einige Ecken weiter blockiert ein Kleinlaster die Straße. Dann fällt das Ladeverdeck herab und schwer bewaffnete Polizisten eröffnen das Feuer auf den Mann mit der Sonnenbrille – Jacques Mesrine ist nicht mehr. Mit dieser Szene eröffnet Jean-François Richet seine Film-Biografie des Mannes, der es zum französischen Staatsfeind Nr. 1 brachte.

Der gefährlichste und meistgesuchte Verbrecher in der französischen Kriminalgeschichte starb am 2. November 1979 am Rande von Paris.

Aggressives Temperament

Public Enemy No. 1

Deutscher Kinostart: 23.04.2009

Regie: Jean-Francois Richet

Darsteller: Vincent Cassel, Cecile de France, Gerard Depardieu, Roy Dupuis u.v.a

Richet blendet zurück nach Algerien ins Jahr 1959, wo Frankreich einen verbissenen Kolonialkrieg gegen die dortigen Unabhängigkeitsbestrebungen führt. Mesrine ist 23 Jahre alt und Soldat. Er wohnt dem Verhör dreier Gefangener bei, und als die Lage verbal eskaliert, gerät er immer mehr unter Druck. Dann greift er zur Pistole und drückt ab.

Zurück in Paris findet Mesrine schnell Anschluss an Gangsterkreise. In der Halbwelt findet er das wahre Zuhause für sein aggressives Temperament. Mehrmals wird er verhaftet, bricht aus, überfällt Banken und Hotels, narrt die Polizei mit tollkühnen Coups und wilden Maske-raden. Als es in Frankreich zu heiß für ihn wird, macht er in Kanada weiter. Und immer schießt er sich den Weg frei – Mordinstinkt.

"Ich habe ja von Anfang an keine netten Typen gespielt"

Frankreichs Staatsfeind Nummer eins: Jacques Mesrine (V. Cassel) mit Komplizin Jeanne Schneider (Cécile de France). (Foto: Senator)
Frankreichs Staatsfeind Nummer eins: Jacques Mesrine (V. Cassel) mit Komplizin Jeanne Schneider (Cécile de France). (Foto: Senator)

In einem Mix aus präziser Nachgestaltung realer Ereignisse und freier Interpretation von Mesrines eigenem Lebensbericht erreicht dieser Film die perfekte Mischung aus klassischem französischem Gangsterkino und moderner Action. Dabei gelingt es Richet, die Psychologie eines von sich selbst begeisterten Gewalttäters erfahrbar zu machen. Die Erzählweise ist bedächtig und von klassischen Vorbildern des französischen Gangsterfilms geprägt wie „Vier im roten Kreis” oder „Der Clan der Sizilianer”. In den Gewaltszenen wird dagegen eine schnelle, harte Gangart eingeschlagen, die sich jedoch nicht in Bildschnipseln verliert.

Vincent Cassel versteht es in der Hauptrolle, die Synthese aus brutaler Gewalt und psychologischem Tiefgang glaubhaft zu verkörpern. Er durchpflügt den Film mit brachialer physischer Präsenz wie ein Orkan. Der 42-jährige Schauspielstar gibt einmal mehr den ungestümen Rüpel, zeigt aber auch sein außerordentliches Talent zur präzisen Ausgestaltung vielschichtiger Charaktere und ist auf dem besten Wege, ein ganz Großer seines Faches zu werden.

20 Kilo zugelegt für den Auftritt

Mehrteiler im Kino

Es gehörte einst zum guten Ton, eine große Geschichte in zwei oder mehr Filmen au die Leinwand zu bringen. Berühmte Beispiele dafür sind Fritz Langs „Dr. Mabuse”, die „Buddenbrooks”-Verfilmung mit Hansjörg Felmy oder das Abenteuerspiel „Der Tiger von Eschnapur” und „Das indische Grabmal”.

Zuletzt griff Tarantino das Konzept mit „Kill Bill” wieder auf, im Sommer legt Steven Soderbergh mit „Che” nach, einer Biografie des Revolutionärs Che Guevara.

Das zeigt sich auch in der Verbissenheit, mit der er sich äußerlich der Rolle annäherte. Denn für seinen Auftritt als Jacques Mesrine legte er 20 Kilo zu, über ein Viertel seines Normalgewichts. Dass er auf das Fach des Verbrechers und Brutalmenschen festgelegt zu sein scheint, stört Cassel überhaupt nicht: „Ich habe ja von Anfang an keine netten Typen gespielt.”

Mit der klaren Zuordnung eines Leinwand-Images steht er auch in der Tradition großer Vorgänger wie Alain Delon. Schließlich soll „Public Enemy No. 1” den Stil des französischen Kinos der 60er und 70er Jahre mit heutigen Mitteln wiederbeleben. Dabei ging Richet ein finanzielles Risiko ein. Denn der Film war nicht nur durch seine vier Stunden Laufzeit teuer, sondern auch durch die französische Starbesetzung. So wirken u. a. Gérard Depardieu, Bond-Schurke Mathieu Amalric und Cécile de France mit.

„Public Enemy No. 1” ist für die Kinoauswertung übrigens als Zweiteiler angelegt. Dieser Mut zum Ungewöhnlichen wurde belohnt. In Frankreich wurde der Thriller-Doppelpack ein gewaltiger Erfolg. Und Vincent Cassel wurde für seine Darstellung mit dem französischen Filmpreis César als bester Schauspieler des Jahres geehrt. Im Mai kommt der abschließende Teil in unsere Kinos: „Todestrieb”.