Essen.. In dem Politthriller „Der blinde Fleck“ beschäftigt sich Regisseur Daniel Harrich mit dem Wiesn-Attentat vor fast 25 Jahren. Es soll damals ein Einzeltäter gewesen sein, doch das bezweifeln viele – auch der Journalist Ulrich Chaussy (Benno Fürmann), der auf viele Ungereimtheiten gestoßen ist.
Der 26. September 1980 war ein schwarzer Freitag. An diesem Tag explodierte auf dem Münchner Oktoberfest eine Bombe und riss 13 Menschen in den Tod, darunter auch den mutmaßlichen Täter; 211 Personen wurden verletzt, davon 68 schwer. Öffentliche Kundgebungen und die abschließenden Urteile der ermittelnden Behörden bestätigen die Theorie vom Einzeltäter. Radiojournalist Ulrich Chaussy kam zu anderen Resultaten. Als Ko-Autor hat er seine Geschichte maßgeblich in den Politthriller „Der blinde Fleck“ eingebracht.
Als die Bombe hoch geht, befindet sich Chaussy mit seiner Frau Lise in der neu bezogenen Wohnung in Sichtweite der Theresienwiese. Während unmittelbar nach dem Anschlag der bayerische Landeschef gegen Terror aus linken Kreisen wettert, bestätigt Bundesgeneralanwalt Kurt Rebmann bereits kurz darauf, dass der Attentäter Gundolf Köhler der Wehrsportgruppe Hoffmann angehörte. Im Zuge der nächsten drei Jahre wird die bewaffnete rechtsradikale Gruppierung verboten.
Opferanwalt Werner Dietrich reagiert empört
Dann erhebt die Bundesstaatsanwaltschaft überraschend Köhler doch zum Einzeltäter. Werner Dietrich, der als Anwalt die Opfer des Anschlags vertritt, reagiert empört und erregt Chaussys Aufmerksamkeit. Gemeinsam beginnen sie nachzuforschen und stoßen auf Ungereimtheiten und Vertuschungsbestrebungen, die bis zu Hans Langemann führen, dem Chef der Staatsschutzabteilung im bayerischen Innenministerium.
In einer frühen Szene des Films doziert der Terrorexperte über seine Theorie vom Einzeltäter als Marionette übergeordneter Strippenzieher, die im Augenblick der Tat die Verbindungsfäden kappen und unerkannt verschwinden. Regisseur Daniel Harrich, der nach Dokumentararbeiten fürs Fernsehen mit diesem Film sein Kinodebüt gibt, hat zusammen mit Ulrich Chaussy das Drehbuch verfasst und lässt keinen Zweifel, wo dubiose Fäden zusammenlaufen.
Heiner Lauterbach als eiskalter Drahtzieher
Eine spannende Geschichte vor historischem Hintergrund ist das zweifellos. Heiner Lauterbach als eiskalter Drahtzieher Langemann mit schnittig deutscher Beamtenfrisur und Benno Fürmann als Aufklärer Chaussy sind gut besetzt für diese Rollen.
Nur einmal treffen sie aufeinander, in einer kurzen, aber starken Szene, die ahnen lässt, welches Potenzial für einen Kinofilm in der ganzen Story steckt. Die meiste Zeit aber bleibt das Werbeversprechen auf einen brisanten Enthüllungsthriller uneingelöst.
Erinnerungen an den Film „JFK“ von Oliver Stone
Oliver Stone hatte 1991 in „JFK“ gezeigt, wie spannend die Aufarbeitung eines Attentats auch nach 30 Jahren sein kann; gerade weil er gegen die These vom Einzeltäter wetterte. Harrich nutzt ähnliche Pfade, auch hier wird der ermittelnde Außenseiter erst Jahre nach der Tat aktiv, deckt Zwiespältiges auf, wird verlacht, sogar bedroht und bewirkt – nichts.
Stone rührte die Trommel im großen Kinostil, Harrichs Film bescheidet sich als dramatisch verbrämtes Doku-Theater, ehrenwert im Ansinnen, aber unbeholfen eifernd im erzählerischen Ansatz, klein und eng, naiv bis unvermögend in der filmischen Ausführung. Der Held arbeitet hart, bleibt als Figur aber blass. Der Film reißt nicht mit. Lesen Sie deshalb lieber Chaussys Buch über den Fall.
Wertung: 3 von 5 Sternen