Essen. . Produzent Nico Hofmann hat sich an etwas ganz Großes gewagt: Er bringt den Millionen schweren Bestseller „Der Medicus“ des Amerikaners Noah Gordon auf die Kinoleinwand. Das Wagnis ist geglückt, aber Fans des Romans werden Abstriche machen müssen. Für die Kinoversion wurden Teile aus Zeitgründen gestrichen.
Früher hätte man bei der Verfilmung eines Bestsellerromans wie „Der Medicus“ immer zuerst an einen Produzenten wie Bernd Eichinger gedacht. Der besaß eine Leidenschaft für derart große Stoffe und schwor Regisseure darauf ein, in großen Kinobildern zu denken. Nach seinem Tod besorgen nun Profis wie Nico Hofmann das Geschäft, die im Fernsehbetrieb verankert sind und auch den Verwertungskreislauf darauf abstimmen. Schon jetzt ist klar, dass bei derart viel ARD-Degeto-Geld der 25 Millionen teure „Medicus“ in nicht allzu ferner Zukunft als Zweiteiler auf dem Bildschirm Wiederauferstehung feiern wird.
Bestseller wurde sechs Millionen Mal in der deutschen Ausgabe verkauft
Der Roman des Amerikaners Noah Gordon war seinerzeit ein Kuriosum. Während sich bei Erscheinen in den USA im Jahre 1986 nicht gerade viele Landsleute des Autors für die Geschichte eines jungen Mannes interessierten, dessen Lebenszweck es wird, den Fortschritt der Medizin im Mittelalter zu beschleunigen, so war die Reaktion in Europa gegenteilig. Rund sechs Millionen Menschen allein in den deutschsprachigen Ländern kauften das Buch. Bei denen, die den 850-seitigen Schmöker einst verschlangen, wird es Philipp Stölzls Verfilmung nun schwer haben. Denn erst einmal muss bei einem derart voluminösem Werk vieles verknappt werden oder neue akzentuiert werden. Und dann muss man auch noch hinnehmen, dass mit der Jüdin Rebecca eine ganz andere Frau in das Leben des jungen Rob Cole tritt, als im Buch vorgesehen.
Der Held zieht hinaus in die Welt
Cole, dargestellt von dem britischen Kino-Neuling Tom Payne, wächst im 11. Jahrhundert in England auf, zwischen Armut, Schmutz und vielen Krankheiten. Schon früh zur Waise geworden, schließt er sich schließlich einem fahrenden Bader (Stellan Skarsgard) an, einem Quacksalber ohne rechte medizinische Kenntnisse, der aber eine Menge Tricks beherrscht, um an das Geld der Leute zu kommen. Rob, der die Gabe besitzt, durch Handauflegen den Tod eines Menschen vorauszusehen, ist das alles zu wenig. Es ist dieser erste Teil des Films, dieser Streifzug durch ein marodes Land, der noch am ehesten authentisch wirkt, auch wenn der Dreck gelegentlich zu pittoresk aufgetragen scheint.
Unseren Helden zieht es hinaus in die Welt, sein Ziel ist der legendäre Ibn Sina (Ben Kingsley), der in Isfahanim fernen Persien eine Medizin unterrichten soll, die viel weiter fortgeschritten ist. Der Weg dorthin ist im Film zwar radikal abgekürzt, so viel Zeit aber, um seine große Liebe bei einem Sandsturm kennenzulernen, muss sein. Payne stattet seinen Rob Cole mit Enthusiasmus und einem Ehrgeiz aus, der ihn auch nicht vor einer einsamen Selbstbeschneidung zurückschrecken lässt. Denn in Persien muss man zumindest Jude sein, um geduldet zu werden. Der Weg zu Ibn Sina ist nun schnell offen und bald kann Rob den Meister von seinen Fähigkeiten überzeugen.
Oliver Martinez begeistert als Schah
Weniger überzeugen kann Stölzls Umgang mit seinem Protagonisten, den er wie ein Schaustück präsentiert, der uns aber als Mensch mit Heiland-Qualitäten doch ein wenig fern bleibt. Olivier Martinez begeistert da schon mehr als kranker, von Konventionen gefesselter Schah mit wächsernem Gesicht. Stölzl filmt das alles brav als Stationendrama ab, in dem Jan Bergers Drehbuch die verknöcherten Mullahs bereits als Feinde jeden Fortschritts ausmacht. Wie die Zeiten sich doch gleichen sollen.
Der Zuschauer wird sich am Ende gut bedient fühlen, denn er erlebt einen Helden, der eine Pestepidemie im Alleingang stoppt und danach einen bislang verbotenen Eingriff in den Körper wagt, um eine Blinddarmentzündung zu kurieren – an ihr war einst seine Mutter noch gestorben. Ein Heiland, fürwahr.
Wertung: dreieinhalb von fünf Sternen