Essen. In “Die Frau, die sich traut“ erinnert sich eine 40-Jährige an ihren Jugendtraum. Beate hat das Leben eher übel mitgespielt. Nun will die Frau aus der Plattenbausiedlung im Osten schwimmend den Ärmelkanal durchqueren. Leider lässt der Film den Figuren keinerlei Raum, sich zu entwickeln.
Beate ist Ende 40 und allein lebend. Sie hat einen Stubenhocker als Sohn und eine alleinerziehende Langzeitstudentin als Tochter. Und seit jüngstem ist sie um die deprimierende Erkenntnis reicher, dass ein Krebsgeschwür an ihrem Körper frisst.
Beate ist die jüngste Protagonistin des deutschen Förderkinos, die an die filmische Marktfront geschickt wird, und angesichts des geringen Produktionsbudgets und bescheidener Marketingmaßnahmen ist der Filmtitel auf ungewollte Weise sehr passend gewählt: „Die Frau, die sich traut“.
Steffi Kühnert spielt Beate aus der Plattenbausiedlung im Osten mit dem Appeal einer soliden, sympathischen Durchschnittsfrau, der das Leben eher übel mitgespielt hat. Als Jugendliche war sie hoffnungsträchtige Schwimmerin, bei den Olympischen Spielen 1980 wurden ihr sogar Medaillenchancen eingeräumt. Aber Beate wurde vor den Spielen schwanger und entschied sich für die Mutterschaft. Jetzt betreut sie die Enkelin, damit die Tochter am Diplom arbeiten kann, und betüddelt den erwachsenen Sohn zum Missfallen von dessen fester Freundin.
Nur bei der besten Freundin Henni (Jenny Schily) findet Beate Anteilnahme, aber nicht mal der erzählt sie von ihrer Krankheit. In einem letztgültigen Aufbruch in die Selbstverwirklichung entlässt sie Sohn und Tochter in die Eigenverantwortung und nimmt wieder das Schwimmtraining auf. Beate will den Ärmelkanal durchqueren.
Ein Finale in rauer See
Die ostdeutsche Tristesse des Alltags hat Andreas Dresen bereits ausgiebig auf der Leinwand ausgestellt. Nun zieht Marc Rensing nach, der vor einigen Jahren mit dem dynamischen Sport- und Charakterdrama „Parkour“ debütierte. Auch seine zweite Regiearbeit zielt auf Charaktertiefe und die befreiende Wirkung sportlicher Höchstleistung.
Aber diesmal wirken Figuren und Konflikte wie aus der Schablone für anspruchsvolle Arthaus-Unterhaltung deutscher Prägung gestanzt. Steffi Kühnert und Jenny Schily geben als ungleiche Freundinnen ein interessantes Gespann, das mehr gemeinsame Szenen verdient hätte. Stattdessen müht sich das Drehbuch in familiären Küchentischgesprächen ab, lässt keiner Figur Raum zur Entwicklung und bescheidet sich in biederer Bildgestaltung. Nicht einmal das Schwimmfinale in rauer See lässt Spannung aufkommen. Das eigentliche Drama dieser tapferen Frau ist der Film, der von ihr zu erzählen versucht.
- Wertung: Zwei von fünf Sternen