Essen. In ihrem letzten Film „Somewhere“ widmete sich die Regisseurin Sofia Coppola dem traurigen Alltag des Starkults, der von schwerer Langweile geprägt scheint. In ihrem neuen Film „The Bling Ring“ lässt sie eine Teenager-Clique die Häuser der Stars ausrauben.

Für die Teenager aus Calabasas, einem der schickeren Stadtteile von Los Angeles, ist die Welt der Stars und Sternchen, des Hollywood-Adels und der Medien-Berühmtheiten tatsächlich zum Greifen nahe. Sie müssen deren Leben nicht nur über das Internet und Klatschmagazine verfolgen. Sie kön­nen ihnen jederzeit selbst begegnen, in Clubs und Bars, in Boutiquen und auf der Straße. Das Gefühl der Vertrautheit ist so groß, dass Rebecca (Katie Chang) und Marc (Israel Broussard), zwei dieser in mehr als nur einem Sinne privilegierten Teenager, eines Abends auf die Idee kommen, bei Paris Hilton vorbeizufahren und in ihr Haus einzubrechen.

Drei Millionen Dollar

Sofia Coppolas „The Bling Ring“ basiert, auch wenn es nur schwer vorstellbar ist, auf wahren Begebenheiten. Etwa ein dreiviertel Jahr lang, von Herbst 2008 bis zum Sommer 2009, ist eine Clique von Jugendlichen, der neben Marc und Rebecca auch noch deren Freundinnen Nicki (Emma Watson), Chloe (Claire Julien) und Sam (Taissa Farmiga) angehören, immer wieder in die Villen von Stars wie Orlando Bloom und Lindsay Lohan eingestiegen. Dabei haben sie Bargeld, Schmuck und Designermode im Wert von etwa drei Millionen Dollar erbeutet.

Paris Hilton ist nicht zu Hause

Der erste Einbruch bei Paris Hilton hat etwas von einem Kinderspiel – und das ist sogar wörtlich zu nehmen. Rebecca und Marc waren vorher zwar schon mal in das Haus eines Klassenkameraden eingedrungen und sind dann mit dem Luxus-Sportwagen von dessen Vater weggefahren. Doch der nächtliche Besuch bei ihrem Idol entspringt tatsächlich einer Teenager-Laune. Der Abend ist langweilig, in den Clubs nichts los, und im Internet war zu lesen, dass Paris Hilton nicht in Los Angeles ist. Also fahren die Jugendlichen bei ihr vorbei, klettern über die Mauer und finden den Schlüssel zum Haus unter der Fußmatte. Eben ein Kinderspiel.

Überraschende Leichtigkeit

Dieser Augenblick hat etwas seltsam Befreiendes, nicht nur für die Kids, die von nun an ihre eigenen Träume von Reichtum und Ruhm ausleben werden, sondern auch für Sofia Coppola. Eine überraschende Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit erfüllt „The Bling Ring“, ihren vierten Film, mit dem sie sich allem Anschein nach endgültig von der Last ihres Namens und ihrer Herkunft als Tochter von Francis Ford Coppola befreit. Bisher erweckten all ihre Regiearbeiten den Eindruck, dass sie sich und ihrem Publikum etwas beweisen will. Doch davon kann nun nicht mehr die Rede sein. Ihre Annäherung an die „Hollywood Hills Diebe“, wie die Clique damals in den Medien hieß, ist Film gewordene Gegenwart.

Keine Erklärungsmuster

Nicht einmal für einen einzigen Moment erhebt sich die Filmemacherin über die jugendliche Diebesbande, deren Mitglieder von sich glauben, sie seien selbst auch Stars. Sie begegnet ihnen immer auf Augenhöhe. Eine gewisse Verwunderung über deren Taten und die Art, in der sie sich mittels auf Facebook geposteter Fotos und Videos selbst in Szene setzen, ist natürlich spürbar. Aber dieses Staunen schiebt sich nie vor die Bilder, die sich einfach damit begnügen, die Dinge so zu zeigen, wie sie sind.

Wie leicht wäre es gewesen, sich angesichts dieses bizarren Kriminalfalls in moralische oder soziologische Erklärungsmuster zu flüchten oder ein Lamento anzustimmen über Jugendliche, die nicht wissen, was sie tun, und über Eltern, die ihre Kinder wohlstandsverwahrlosen lassen. Doch das ist nicht Sofia Coppolas Sache. Sie urteilt nicht, weder über die Teenager und deren rein materialistische Sicht der Dinge, noch über die Celebritys und deren ans Dekadente grenzenden Lebensstil. Das eine ist wie das andere einfach ein Aspekt der heutigen Welt.