Essen. In betörend schönen Kinobildern erzählt Regisseur Paolo Sorrentino in seinem Film “Grande Bellezza - Die große Schönheit“ über das moderne Italien. Dabei führt er den Zuschauer von einem erlesenen Schauplatz zum nächsten und unterzieht dem mordenen Leben an sich eine satirische Spiegelung.
Federico Fellini liebte Rom und hat das in seinen Filmen unnachahmlich zum Ausdruck gebracht. Ein halbes Jahrhundert musste ins Land gehen, um mit Paolo Sorrentino einen würdigen Nachfolger hervorzubringen. Sein neuer Film kommt nun unter dem Titel „La Grande Bellezza - Die große Schönheit“ in die Kinos und es ist nicht weniger als der römischste Film unserer Zeit.
Es beginnt mit einer wilden Party über den Dächern der Tibermetropole. Jeb Gambardella ist 65 geworden und er ist noch kein bisschen müde. Unermüdlich treibt er, der scharfzüngige Journalist, dessen Ruhm auf einem Roman basiert, den er vor 30 Jahren schrieb, durch die Society Roms und lässt keine Freuden ungenutzt.
Betörend schöne Kinobilder
Das ist der Handlungsbogen von „La Grande Bellezza“. Und auf den ersten Blick erscheint das wenig und ausgesprochen tollkühn angesichts einer Spielzeit von 142 Minuten. Wie aber Paolo Sorrentino den Zuschauer von einem erlesenen Schauplatz zum nächsten führt, in brausende Partys schleudert, in intime Gedankenspiele verwickelt und auf einer abschließenden Bootsfahrt auf dem Tiber wieder zur Ruhe kommen lässt, das ist in seinen betörend schönen Kinobildern und dem Aufgebot skurriler Typen von einer inszenatorischen Virtuosität, die aktuell ohne Konkurrenz ist.
Mit dem superben Hauptdarsteller Toni Servillo, der Eleganz und Gelassenheit im Auftritt mit bissiger Selbstreflexion, hintersinnigen Bonmots und entwaffnend geistreichen Beleidigungen („Flaubert wollte einen Roman über das Nichts schreiben und du wärest die perfekte Muse für ihn gewesen“) auf sich vereint, treibt man durch einen Film, der nichts weniger als das moderne Leben an sich einer satirischen Spiegelung unterzieht.
Dieser Protagonist Jeb Gambardella erscheint wie eine Mischung aus Truman Capote und Umberto Eco, Partylöwe und Gesellschaftskolumnist. Nichts bleibt unter seinem spöttischen Blick unbeobachtet, auch nicht die eigene Existenz, die geprägt ist von verlorener Liebe in jungen Jahren und der Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit angesichts tief greifender Verluste nun, in gereiftem Alter. Auch die Kirche bleibt von hintersinnigem Spott nicht verschont, wenn ein Kardinal Glaubensfragen ausweiht und lieber Kochrezepte zum Besten gibt, während eine fast hundertjährige Heilige wie eine Marionette durch Medientermine geschleust wird.
Ein Zeichen gegen die gedankliche Verödung
Immer wieder wirken die Figuren in diesem Film – Gambardellas zwergwüchsige Verlegerin, eine bildungsferne Liebschaft oder ein adliges Ehepaar, das sich mit seinem guten Namen als Partygesellschafter einkaufen lässt – auf den ersten Blick wie Karikaturen, aber Sorrentino gibt niemanden der Lächerlichkeit preis, verhilft allen zu Tiefgang und Würde. Man findet in diesem modernen Zirkus der Eitelkeiten Verweise auf Luis Bunuel, Michelangelo Antonioni und immer wieder Fellini, dessen Enthusiasmus und Melancholie in neuem scharsinnigem Amüsement arrangiert sind. Und das alles vor Kulissen, die jeder kennt, aber noch nie in solchen Perspektiven gesehen hat. Mit dieser Kinoperle setzt Paolo Sorrentino ein Zeichen gegen die gedankliche Verödung, in die Italien durch Silvio Berlusconi geführt wurde. Das ist wahrlich – Grande.
- Wertung: fünf von fünf Sternen