Essen.. Vor 18 Jahren begann in Wien mit „Before Sunrise“ die unterhaltsame Lovestory zwischen Julie Delpy und Ethan Hawke. Neun Jahre später folgte mit „Before Sunset“ die Fortsetzung in Paris. Und nun verschlägt es das streitlustige Paar in „Before Midnight“ nach Griechenland.
Vor 18 Jahren begann in Wien mit „Before Sunrise“ die unterhaltsame Lovestory zwischen Julie Delpy und Ethan Hawke, die Richard Linklater inszenierte. Neun Jahre später folgte mit „Before Sunset“ die Fortsetzung in Paris. Und nun verschlägt es das streitlustige Paar in „Before Midnight“ nach Griechenland – bei der Berlinale sorgte das clevere Beziehungspalaver für Beifall. Mit Delpy und Hawke unterhielt sich Dieter Oßwald.
Wessen Idee waren die Nacktszenen von Julie Delpy?
Hawke: Das war natürlich meine Idee. Ich sagte Julie, wenn wir deine Brüste nicht in einem dieser drei Filme nackt sehen, dann höre ich auf. Für mich gehörte dieses Szene zur schönsten im ganzen Film: Eine barbusige Frau, die am Telefon mit ihrem Stiefkind über dessen Wissenschaftsprojekt plaudert und ihr Leben organisiert, hat absolut nichts Voyeuristisches an sich.
Delpy: Zudem entspricht das doch völlig der Wirklichkeit. Wer würde sich im realen Leben etwas anziehen, nur weil das Telefon klingelt? Wenn das in den meisten anderen Filmen so gezeigt wird, wirkt das doch ebenso lächerlich wie Sexszenen, bei denen die Frau stets züchtig ihren BH anbehält.
Wie sieht ihr Verhältnis jenseits der Leinwand aus?
Delpy: Ethan und mich verbindet eine Freundschaft, aber wir sind ja kein Liebespaar. Der Film ist pure Fiktion. Alle Dialoge stehen im Drehbuch, alles was wir tun, ist nur gespielt. Natürlich spiegeln sich dabei auch unsere Erfahrungen wider, die Auseinandersetzungen mit unseren Partnern. Das gilt ebenso für den Regisseur Richard Linklater, mit dem wir gemeinsam den Film geschrieben haben. Weil er zehn Jahre älter ist als wir, hat er dabei sogar einen gewissen Vorsprung an Erfahrungen.
Wie ist die Rollenverteilung beim Schreiben? Schreibt jeder seine eigene Figur?
Hawke: Wir helfen uns gegenseitig. Wenn Richard für Jesse einen Dialog schreibt, kann es passieren, dass ihn Julie dumm findet. Dann suchen wir nach Möglichkeiten, dass Jesse sich smarter ausdrückt. Oder wir sagen ihr umgekehrt: ,Das würde ein Mann niemals so sagen’.
Delpy: Einen Wettbewerb zwischen uns gibt es nicht, entscheidend ist, dass wir gemeinsam die richtige Balance für die Figuren finden. Schließlich soll unser Film Frauen und Männer ansprechen.
Welche Probleme gab es?
Delpy: Es ist immer problematisch, bei einer Fortsetzung den richtigen Ton zu finden. Die Geschichte sollte möglichst realistisch wirken, gleichzeitig durfte sie nicht zu deprimierend ausfallen und sollte komische Elemente bieten. Das klingt simpel, die Umsetzung ist allerdings kompliziert. Schließlich hängt der ganze Film völlig von seinen Dialogen ab, die fast ausschließlich von zwei Figuren gesprochen werden – das hat uns beim Schreiben schon etliches Kopfzerbrechen bereitet...
Welche Rolle spielt der Wiedererkennungseffekt des Publikums?
Delpy: Wenn man eine Geschichte aufrichtig erzählt und die Zuschauer nicht mit Tricks zu Emotionen manipuliert, dann kann das Publikum mit den Figuren etwas anfangen und sich darin wiederfinden. Die Probleme müssen gar nicht unmittelbar etwas mit dem eigenen Leben zu tun haben, entscheidend ist die Ehrlichkeit der Darstellung. Letztlich haben alle Menschen die gleichen Wünsche und Ängste: 99 Prozent von uns möchten geliebt werden – abgesehen von Ethan Hawke, der sich selbst so sehr liebt, dass er dafür gar niemand anderen benötigt! (lacht)
Sind heftige Streitereien nützlich für eine gute Ehe?
Hawke: Julie hat doch überhaupt keine Ahnung, was eine gute Ehe ist. (lacht) Im Ernst, wir sind keine idealen Ratgeber für Beziehungsfragen, wir haben beide genügend damit zu tun, unsere eigenen Beziehungen am Laufen zu halten.
Nimmt mit zunehmendem Alter die Weisheit zu?
Hawke: Das ist ganz unterschiedlich. Manche Leute werden im Alter weiser, andere werden neurotischer. Ich würde sagen, dass die Herausforderungen sich mit Sicherheit verändern. Über Gesundheit und Gebrechlichkeit macht sich mit 18 Jahren niemand Sorgen. Dennoch finde ich mein Leben heute viel interessanter als mein Leben früher. Als Jugendlicher war ich sehr unsicher und oft unglücklich. Diese Probleme plagen mich heute nicht mehr.
Ist Celine die ideale Mutter?
Delpy: Mir gefällt an Celine, dass sie ihre Karriere nicht aufgibt, nur weil sie Kinder hat. Ich habe absolut nichts gegen Frauen, die sich auf die Erziehung ihrer Kinder konzentrieren. Aber wenn diese Mutterrolle allein aus Sachzwängen heraus und nicht aus eigenem Wunsch übernommen wird, finde ich es deprimierend. Lieber wäre ich tot, als so zu leben.
Wie handhaben Sie das selbst?
Delpy: Meine Mutter war eine erklärte Feministin und hat ihr Leben lang gearbeitet. Dennoch hat es mir an Liebe nie gefehlt, ich hatte ein wunderbares Elternhaus. Seit ich selbst einen kleinen Sohn habe, merke ich erst, welche Schwierigkeiten es bedeutet, Kind und Karriere unter einen Hut zu bekommen. Klar gibt es die Möglichkeit von Kindermädchen. Aber es gibt auch ständig das Gefühl von Schuld oder des Vernachlässigens. Das ist völlig verrückt – welcher Mann würde sich schuldig fühlen, wenn er zwei Wochen verreist?
Hawke: Ich! (lacht) Ich habe vier Kinder aus zwei Ehen und weiß, dass diese Probleme sehr real sind. Feminismus klingt gut, bis es zur Geburt kommt. Erst dann erkennen viele Frauen, wie die Welt orientiert ist. Und plötzlich beginnt der Streit darüber, wer mehr von seiner Karriere aufgibt, wer öfters zum Einkaufen geht und wer den Vornamen des Kinderarztes kennt. Solche Probleme wollten wir in dem Film darstellen, denn meist werden sie in romantischen Komödien einfach ausgeblendet.