Essen. . Neu im Kino: „The Sessions – Wenn Worte berühren“: Helen Hunt in der glänzend gespielten Rolle als Sex-Therapeutin, die einen Gelähmten mit den Freuden der körperlichen Liebe vertraut macht.

Erotik und Sexualität drängen sich nach einem Jahrzehnt der pubertären Exzesse und seifigen Melodramatik nicht als Hollywoods starke Seite auf. Mit „The Sessions – Wenn Worte berühren“ gelingt es nun einem US-Film, das heikle Thema sexueller Erfahrungen trotz schwerer körperlicher Behinderung auf tragikomischem Wege ohne grobe geschmackliche Entgleisungen zu behandeln.

Mit 38 Jahren fühlt sich Mark unter Zugzwang

Jungfrau mit 38 – Mark O’Brien (John Hawkes) fühlt sich unter Zugzwang. Der talentierte Schriftsteller und Kolumnist leidet unter den Folgen einer schweren Kinderlähmung. Er ist ans Bett gefesselt, weil seine Muskulatur nichts anderes erlaubt. Trotz der Bewegungsunfähigkeit aber ist Marks Nervensystem intakt, alle Sinne funktionieren. Und weil auch Berührungen Empfindungen auslösen, kam es zuletzt beim Waschen zu peinlichen Momenten, wenn Mark im Schritt gewaschen wurde. Zusammen mit seiner neuen Pflegerin Vera (hinreißend beherrscht: Moon Bloodgood) und vorsichtig ermuntert vom örtlichen Pfarrer (William H. Macy mit Hippie-Matte) begibt sich Mark auf die Suche nach einer Frau, die ihm das Wesen der Sexualität näher bringt. Er findet die Sextherapeutin Cheryl, die gegen Bares und zu festen Terminen anreist, um sich des Problempatienten anzunehmen.

Hollywood entdeckt die Sexualität neu. Nach Erotik im Alter („Wie beim ersten Mal“) wendet man sich nun dem Thema sexueller Gelüste und Erfahrungsdefizite angesichts schwerer körperlicher Behinderung zu – und wählt dafür den Weg einer Komödie mit tragischen Untertönen. Die dunkle Seite resultiert aus dem Umstand, dass der Held nur noch absehbare Zeit zu leben hat. Der größere Teil des Films aber verpflichtet sich – im Rahmen einer gepflegt unspektakulären Inszenierung – einer unterhaltsamen Reifeprüfung, bei der auch der weibliche Partner nicht zu kurz kommen soll.

Da die Umsetzung dieser erotischen Ziele sich diskret außerhalb des Bildes vollzieht, verlässt sich die Regie auf Situationskomik zwischen milder Schlüpfrigkeit und trockenem Wortwitz, vor allem aber auf die mimische Finesse der beiden Hauptdarsteller. John Hawkes, in „Winter’s Bone“ noch ein Akteur von kalter Bedrohlichkeit, agiert hier mit gewitztem Gesicht und faszinierendem Nuancenreichtum im Augenaufschlag.

Helen Hunt empfiehlt sich für den Oscar

Die Lorbeeren aber sammelt Helen Hunt ein, die nach dem Hit „Was Frauen wollen“ (2000) und unbedeutenden Nebenrollen nun mit 49 Jahren das selbstbewusste Comeback damit startet, dass sie ihren beachtlich trainierten Körper zur Gänze entblößt; was ihr vermutlich eine Oscar-Nominierung einbringen wird.

Überhaupt wirkt der ganze Film recht eifrig um Filmpreisweihen kalkuliert. Aber er zielt dabei nicht auf die niedersten Instinkte zum Besten des Kassengeschäfts. Und das ist beileibe keine schlechte Nachricht.
Wertung: 4 von 5 Sterne