Essen. Sam Mendes kehrt in „Skyfall“ zu den alten Tugenden der Bond-Filme zurück – und rehabilitiert nach dem wenig ergiebigen letzten 007-Film „Ein Quantum Trost“ und vier Jahren Wartezeit die 50 Jahre alte Serie nun in jeder Hinsicht.
Die Pre-Title-Sequenz eines Bond-Films, jenes Eröffnungsszenario also vor dem Filmtitel, das ist so etwas wie ein Gruß aus der Küche des jeweiligen Regisseurs. Hier soll der Appetit angeregt werden für all das, was danach als Hauptgang serviert wird. Bei „Skyfall“, dem dritten Film mit Daniel Craig als Agent 007, muss man keine Sorge haben, dass der Hunger sich nicht einstellt: Eine wilde Verfolgungsjagd quer durch Istanbul hebt an, mit Motorrädern geht es über die Hausdächer, anschließend gibt es einen erbitterten Zweikampf auf einem dahinrasendem Zug.
Bond jagt hier einem Mann hinterher, der eine Liste mit den Namen aller undercover arbeitenden Agenten des britischen MI6 in Terror-Organisationen weltweit gestohlen hat. Hier stehen also viele Leben auf dem Spiel. Auftraggeber dieser Aktion ist der undurchsichtige Silva (großartig: der blond gefärbte Javier Bardem), der die Namen braucht, um den Geheimdienst vorzuführen. Mit dessen Chefin M (Judi Dench) hat er offenbar noch eine private Rechnung offen, die weit in die Vergangenheit zurückreicht. Damals, als Silva unter seinem bürgerlichen Namen selbst Mitarbeiter des MI6 war.
Das Anfangstempo von „Skyfall“ wird später zum Glück ein wenig gedrosselt. Denn eigentlich wird in diesem Film von Regisseur Sam Mendes („American Beauty“) eine Umbruchsituation geschildert: Die alten Kämpen aus den Feldeinsätzen vor Ort, zu denen auch Bond gehört, und ihre Führungsetage müssen sich der Tatsache stellen, dass übers Internet eine ganz andere Form von Terrorismus möglich ist, als man das bisher kannte. Mitten am Tag beispielsweise fliegt ein Teil des MI6-Gebäudes in die Luft, weil der Computer-erfahrene Silva einfach von Ferne die Gasheizung in diesem Regierungsgebäude manipulieren kann.
Dass die Zeiten sich ändern, spürt 007 auch bei seiner Begegnung mit dem neuen Q. Da sitzt ihm plötzlich ein junger Computer-Nerd (Ben Whishaw) gegenüber, der ihm als einzige Waffe im Kampf gegen Silva und seine Söldner eine simple Pistole Walter PPK überreicht, die einzig Minisensoren besitzt, um ihre Benutzung durch Dritte unmöglich zu machen. „Wenn Sie einen explodierenden Füller erwartet haben“, erklärt dieser junge Schnösel unserem kantigen Lieblingshelden, „so etwas wird schon lange nicht mehr hergestellt.“ Völlig unbrauchbar geworden sei so etwas im Zeitalter der Bedrohung aus dem Netz.
In „Skyfall“ vollzieht sich ein Generationenwechsel, denn selbst jüngere Regierungsmitglieder kritisieren bereits die alte Methode, Agenten aus Fleisch und Blut ins Feld gegen die Feinde Britanniens zu schicken, als viel zu risikoreich. Bond kann da nur grinsen, denn Risiko ist so etwas wie sein zweiter Vorname: Nach einem Fehlschuss seiner Partnerin Eve (Naomi Harris) von allen Kollegen totgeglaubt, ist er doch gerade erst, nun ja, unerwartet wieder auferstanden.
Auf groteske Comic-Bösewichteverzichtet dieser Film
Sam Mendes kehrt in „Skyfall“ zu den alten Tugenden der Bond-Filme zurück. Er reduziert die weltweiten Schauplatzwechsel, verzichtet auf groteske Comic-Bösewichte mit Weltzerstörungsplänen und hat in Daniel Craig einen Titelhelden, der nicht immer nur triumphiert, sondern den Zuschauer auch spüren lässt, wie anstrengend das Leben als Agent im Auftrag Ihrer Majestät sein kann. Die Tatsache, dass Bonds Kontrahent in diesem Fall ein seelisch und auch körperlich zerstörter Ex-Agent ist, dem einst in höchster Not keine Hilfe zuteil wurde, macht diesen Beruf nicht gerade sympathischer.
James Bond Skyfall
Nach dem wenig ergiebigen letzten 007-Film „Ein Quantum Trost“ und vier Jahren Wartezeit rehabilitiert Sam Mendes die 50 Jahre alte Serie nun in jeder Hinsicht. Unvergesslich bleibt vor allem der in Schottland spielende Schluss, der nicht nur endlich die Bedeutung des Wortes „Skyfall“ preisgibt, sondern auch einen Bond zeigt, der gemeinsam mit nur zwei wackeren Alten den sich nähernden Kohorten Silvas entgegentritt. Das mutet, mitten im Hochland, stellenweise tatsächlich so an wie einer dieser schönen alten Western von Howard Hawks. Mit der Botschaft: Erfahrung zahlt sich aus.