Essen. Daniel Kehlmanns Roman „Die Vermessung der Welt“ kam 2005 aus dem Nichts und wurde allein in Deutschland über zwei Millionen Mal verkauft. Jetzt kommt die Verfilmung des Bestsellers in die Kinos, aber auch das 3D-Format kann die Macken des Films nicht kaschieren.

Wenn ein Buch sich allein in Deutschland über zwei Millionen mal verkauft, muss da etwas sein, was nicht nur notorische Leser packt. Bei Daniel Kehlmanns Roman „Die Vermessung der Welt“ (2005) liegt der Grund wohl im Erzählstil: Mit feiner Ironie werden da in indirekter Rede zwei deutsche Heroen der Wissenschaft in all ihrer Weltfremdheit und Kauzigkeit vorgeführt. Nun sollen der Mathematiker Carl Friedrich Gauß (1777-1855) aus Braunschweig und der Forscher Alexander von Humboldt (1769-1859) auch noch zu Kinohelden aufsteigen. Doch damit hat Regisseur Detlev Buck so seine liebe Mühe.

Gegensätze auf zwei Beinen

Das Dilemma beginnt schon damit, dass aus der liebevoll gedrechselten Erzählprosa im Film Dialoge werden müssen. Und obwohl Kehlmann selbst am Drehbuch mitgearbeitet hat, obwohl er an vielen Stellen als Erzähler fungiert: Was aus den Mündern der großen Geister quillt, wirkt nicht selten befremdlich hölzern, kündet bestenfalls von Unbeholfenheit, gelegentlich auch von geistiger Arroganz. Zwei Menschen, die gegensätzlicher nicht sein könnten, die nur ihren Genius gemeinsam haben, werden wie im Buch in einer Art Parallelmontage präsentiert.

Humboldt bleibt ein stetes Rätsel

Gauß (Florian David Fitz), das ist hier der Daheimgebliebene aus niedrigem Stand, der Familiengründer, der später den Kopf so voll von höherer Mathematik hat, dass der Alltag ihm fremd wird. Humboldt (Albrecht Abraham Schuch), das ist der Adlige mit dem Fernweh, der seine Vermessungen und Entdeckungen lieber in fernen Ländern machen möchte. Im Gegensatz zum wenigstens anfangs sinnenfreudigen Gauß sind Frauen für diesen Preußen ein völlig unbekanntes Terrain. Überhaupt bleibt uns das Wesen dieses seltsam umständlichen und wissbegierigen Mannes ein stetes Rätsel. Während bei Fitz sich manchmal die Worte zu überschlagen scheinen, weil die Gedanken bei Gauß viel weiter sind als seine Worte, spricht der von der Bühne kommende Schuch seinen Humboldt so, als stünde er gerade an der Rampe.

Detlev Buck hat den Film im 3D-Format gedreht, das sich an kaum einer Stelle als notwendig aufdrängt. Doch die Brille auf der Nase, das ist zumindest eine schlaue Art, um die Unterfinanzierung des Films zu kaschieren. Zehn Millionen Euro mögen eine stolze Summe sein, für ein Projekt wie dieses jedoch klingen sie nach hoffnungslos wenig. Die Auswirkungen sieht man schon bei Humboldts Reise nach Amerika, die lediglich als Comic-Sequenz gezeigt werden kann.

Es fehlt das Gespür für Landschaft

In Südamerika ist dann tatsächlich „on location“ gedreht worden, aber dem Komödien-Spezialisten Buck fehlt das Gespür dafür, hier zumindest aus Landschaft und Vegetation Kapital zu schlagen. Wenn Humboldt und sein französischer Reisegefährte Bonpland mit den Eingeborenen zusammenhocken, hat man nicht das Gefühl von Regenwald, sondern von kleinem Wohnzimmer. Und wenn die beiden den Chimborazo erklimmen, dann wirkt das wie eine Montage aus Kühlkammer mit Videoprojektion des Gipfels im Hintergrund. So fremd uns die zentralen Figuren dieses seltsam ungeschickten Films auch bleiben, so gibt es doch zwei Momente, die ahnen lassen, was aus dieser Produktion auch hätte werden können. Da ist zum einen die Szene, in der Humbold auf einem Sklavenmarkt alle Gefangenen freikauft, die sich aber gar nicht rühren, weil sie einfach nicht wissen, was sie mit der neuen Freiheit anfangen sollen. Der andere Moment ist der, in dem Gauß endlich sein großes Vorbild Immanuel Kant besucht, mit dem der geistig so sehr Vereinsamte inständig hofft, sich endlich austauschen zu können – und dann doch nur noch ein geistiges Wrack vorfindet.