Alexander Kluge macht vorwiegend Fernsehen, Volker Schlöndorff verstärkt Theater. Werner Herzog jedoch, einer der jungen beim einstigen „Jungen Deutschen Film“ der 60-er Jahre, dreht Spiel- und Dokumentarfilme mit großem Tempo. Rund 60 sind es bisher, da der Regisseur selbst 70 wird.
Ohne einen wie Werner Herzog wäre der Junge Deutsche Autorenfilm der 60er- und 70er-Jahre eine verkopfte Angelegenheit geblieben, grau wie das Aussehen der Filme jener Tage. Herzog aber war schon damals ein innerlich Getriebener, immer auf der Suche nach noch nie gesehenen Bildern, nach noch nie erlebten Empfindungen. Der Welt einen Film abzuringen, das musste für den Regie-Autodidakten immer auch gleich ein Abenteuer sein. Bis heute, da er agil und tatendurstig seinen 70. Geburtstag feiert, hat sich das nicht geändert.
Abweichler, Außenseiter, Aufbegehrer
Herzogs Helden, das sind Abweichler, Außenseiter, hoffnungslose Aufbegehrer gegen traditionelle Normen. In seinem zweiten Spielfilm „Auch Zwerge haben klein angefangen“ (1970) ist es eine Gruppe von Liliputanern, die in einem Erziehungsheim auf Lanzarote eine Rebellion anzettelt, die ins Leere läuft. Sein Kaspar Hauser in „Jeder für sich und Gott gegen alle“ (1974) scheitert an der Welt nicht wegen vermeintlicher Dummheit, sondern weil er ihr durch lange Abkapselung haushoch überlegen ist. Die Bilder in „Herz aus Glas“ (1976) wirken so bleischwer, weil Herzog die Schauspieler unter Hypnose spielen lässt.
Masochistische Selbsterfahrung
Dass dieser Regisseur nicht nur Extreme ablichten will, sondern auch bereit ist, sich selbst aufs Spiel zu setzen, das zeigt sich an der langen und quälenden Zusammenarbeit mit dem Exzentriker Klaus Kinski. Fünf Filme bringen die beiden zustande, darunter großartige Leinwandgemälde wie die Suche nach dem Goldland Eldorado in „Aguirre, der Zorn Gottes“ oder „Fitzcarraldo“, wo einer fanatisch seinen Traum von einer Oper im Dschungel verwirklichen will.
Es gibt nicht wenige, die Kinskis fortwährende Raserei bei den Dreharbeiten als masochistische Selbsterfahrung des Regisseurs bezeichnen. Ende 1973 will Herzog dann sogar persönlich den Tod bezwingen: Er wandert 22 Tage von München nach Paris, wo die Filmkritikerin Lotte Eisner im Sterben liegen soll. Nach der Wanderung lebt sie noch weitere zehn Jahre.
Einfach ablichten, was man vorfindet
Bis heute hat Werner Herzog rund 60 Filme gedreht, wobei die Dokumentarfilme inzwischen überwiegen. Hier kann er seine Reise an das Ende aller Bilder ganz ohne Drehbuch fortsetzen, kann er einfach ablichten, was er vorfindet. In „Begegnungen am Ende der Welt“ (2009) beispielsweise den extremen Alltag von Menschen in der Antarktis.
Erst letztes Jahr triumphierte er mit der mystischen „Höhle der vergessenen Träume“. Unter größtmöglichen Sicherheitsvorkehrungen darf er hier mit kleinstem Team und mit einer kleinen 3D-Kamera 35 000 Jahre alte Höhlenzeichnungen abfilmen, die nur wenige Menschen bisher sehen durften. Das ist Magie so ganz nach Herzogs Geschmack.
Dass diese schillerndste Figur des deutschen Kinos inzwischen auch in Los Angeles wohnt und hier amerikanische Independent-Filme dreht, verwundert nicht. Seine Themen aber bleiben: In „Bad Lieutenant“ watet ein süchtiger Nicolas Cage als einsamer Cop im überfluteten New Orleans durch einen Sumpf aus Drogen und Verbrechen.