Berlin. Wer sich an die letzte große Hauptrolle von Dustin Hoffman erinnern will, muss bis «Wag the Dog» zurückdenken. Jetzt feiert er neben Emma Thompson ein bezauberndes Comeback in «Liebe auf den zweiten Blick».
Liebe auf den zweiten Blick
Deutscher Kinostart: 16.04.2009
Regie: Joel Hopkins
Darsteller: Dustin Hoffman, Emma Thompson, Eileen Atkins, Liane Balaban, James Brolin, Kathy Baker u.a.
Harvey (Dustin Hoffman) ist nicht zu beneiden. Von seiner Musikkarriere ist nichts mehr übrig geblieben. Zudem hat er seit seiner Scheidung kaum noch Kontakt zu seiner Familie. Trotzdem fliegt er nach London, um der Hochzeit seiner Tochter beizuwohnen. Doch auf der Feier fühlt sich Harvey schnell wie ein Fremdkörper. Auch Kate (Emma Thompson) fühlt sich einsam. Ihre jüngsten Dates entpuppten sich allesamt als Flops. Zudem wird sie von ihrer Mutter vereinnahmt. Als sich Harvey und Kate am Flughafen begegnen, beschließen sie spontan, gemeinsam durch die Nacht zu ziehen.
Wer sich an die letzte große Hauptrolle von Dustin Hoffman erinnern will, muss bis «Wag the Dog» zurückdenken. Zuletzt war der «Rain Man» vornehmlich in schrulligen Nebenrollen zu sehen - etwa als Dufthändler in «Das Parfüm». Das melancholische Drama «Liebe auf den zweiten Blick» zeigt den zweifachen Oscar-Preisträger endlich wieder als bodenständigen Mann von nebenan.
Hoffman spielt einen Familienvater, der sich seit seiner Scheidung einsam und ungebraucht fühlt. Dabei hat ihm das Leben keineswegs allzu übel mitgespielt. Er ist schlichtweg in die Jahre gekommen. Nahezu unmerklich hat ihn die nachrückende Jugend überholt. Co-Star Emma Thompson geht es kaum anders. Ihre Kate ist vielleicht noch nicht so desillusioniert wie Harvey, steht aber auch auf der Schwelle zur emotionalen Vereinsamung.
Der Film versinkt keineswegs in Melancholie
Obwohl mehr als 20 Jahre zwischen den beiden Protagonisten liegen (Hoffman ist 72, Thompson feiert einen Tag vor Filmstart ihren 50. Geburtstag), sind sie sich ungemein ähnlich. Beide drohen, sich ihrem Schicksal fatalistisch zu ergeben. Für beide bildet das Telefon zudem die einzig verbliebene Schnittstelle zur Außenwelt. Statt sich seiner Tochter auf der Hochzeitsfeier anzunähern, plaudert Harvey ständig per Handy mit einem Arbeitskollegen. Kate telefoniert wiederum permanent mit ihrer Mutter - sogar während einer romantischen Verabredung. Das alles hört sich ein wenig trostlos an.
Trotzdem versinkt der Film keineswegs in Melancholie. Im Gegenteil: Auf wundersame Weise strahlt er eine ungeahnte Zuversicht und Herzenswärme aus. Zu verdanken hat er das seinen beiden Hauptdarstellern. Hoffman und Thompson spielen kein typisches Filmpaar, sondern zwei gestandene Menschen in den besten Jahren, die langsam ihre Seelenverwandtschaft entdecken. Ihre Zuneigung entsteht nicht plötzlich, sondern entwickelt sich im Verlauf einer Nacht. Dadurch wächst zwischen ihnen eine imaginäre Verbindungslinie. Und der Zuschauer möchte fest daran glauben, dass sie bis weit über das Filmende hinaus Bestand hat.
«Before Sunrise» lässt grüßen. Wie in dem Independent-Klassiker von Richard Linklater haben sich auch hier zwei Menschen gefunden, die sich gegenseitig unterstützen und vortrefflich ergänzen. «Liebe auf den zweiten Blick» ist wie seine beiden Hauptdarsteller: hinreißend, liebenswert und voll positiver Energie. (ddp)