Essen. . Von „Männerherzen“ bis „What a Man“: Die männliche Identitätskrise ist mal wieder auf der Leinwand angekommen. Das Spiel mit den Klischees sorgt für volle Kinokassen. Til Schweiger hat auch als Prinz auf dem Pony seine Fans.
Als an einem Samstag im August selbst das „Wort zum Sonntag“ erkannte, dass es mit dem männlichen Ego nicht zum Besten bestellt ist, da wusste man: Jetzt wird’s ernst. Männer, so hieß die fromme Botschaft, müssen wieder das Gefühl bekommen, gebraucht zu werden. Sonst stecken sie am Ende Autos in Brand, pöbeln auf Fußballplätzen. Oder langweilen uns auch noch mit dem 183. Aufguss der alten Frage: Wann ist ein Mann ein Mann?
Und wohin man im Kino derzeit auch schaut: Die männliche Identitätskrise ist programmfüllend. Mal wieder. Eigentlich hatte man das Thema ja schon in den ‘80ern abgehakt, spätestens mit Doris Dörries genialer Geschlechterkomödie „Männer“. Mit einiger Verspätung entdecken nun auch ihre männlichen Kollegen das schöne Stilmittel der Selbstironie und wollen gar nicht mehr aufhören, sich selber vorzuführen.
Matthias Schweighöfer lässt sich in seinem Regiedebüt „What a Man“ von seiner fröhlich fremdgehenden Freundin beim Frühstück fürs „schöne Staubsaugen“ loben. Und Til Schweiger meldet sich in seinem neuen Film zum Ponyreiten an, um die Frau seines Herzens zu erobern.
Erst zum Hechelkurs. Und dann Hausmann?
Schweiger, der nach „Keinohrhasen“ und „Zweiohrküken“ gewissermaßen als Quoten-König der deftigen Machoklamotte gilt, hat inzwischen vielerlei Konkurrenz bekommen. So legt Regisseur Simon Verhoeven mit „Männerherzen und die ganz, ganz große Liebe“ ab Donnerstag schon den zweiten Teil seiner amüsanten Männlichkeits-Studie vor, die sich immerhin mit einigem Witz, Charme und illustrem Typen-Kabinett über die romantischen Geschlechterklischees auslässt. Da ist der vermeintlich emanzipierte Philip (Maxim Mehmet), der zum Hechelkurs mitgeht, aber vom Hausmann nichts hören will. Da ist der verklemmte Blässling Günther (Christian Ulmen), der seiner neuen Freundin aus dem Fressnapf-Laden beim ersten Sex vor Aufregung das Ohr blutig knabbert. Und Til Schweiger spielt den lässigen Lebemann Jeraume, der nach dem letzten Beziehungsfiasko wieder zu Hause einzieht und sich von Mama das Bett mit der Fußball-Wäsche beziehen lässt.
Dem Kinomann 2.0, so scheint’s, ist vor keiner Selbstdemontage mehr bange. Und er trifft damit offenbar nicht nur den Nerv des Pärchen-Publikums, das für die sanften Verlierer Schlange steht. Er steht auch für das angesagte Männerbild. Eine Untersuchung der Universitäten Dortmund und Bielefeld zur Männlichkeitsvorstellung von 15-Jährigen zeigt zwischen der ersten Befragung 1998 und der zweiten Auswertung in 2009 klare Unterschiede. War am Ende des 20. Jahrhunderts noch der coole Sprüchemacher bei den Jugendlichen Favorit, liegt jetzt der charmante, witzige, gern auch zuverlässige Typ weit vorn. Zentrale Botschaft der 1600 befragten Jungen: Macho ist out.
Die Krise macht sich bezahlt
Während Charlotte Roche also Millionenauflagen mit ihren Ausführungen über Seitensprünge und Pornogucken macht, während internationale Stars wie Daniel Craig sich unverdrossen Pistolenkugeln aus dem Bauchfell schneiden lassen, bevor sie das Böse bändigen, bekämpft das deutsche Filmidol bevorzugt Flugangst, Schwitzehändchen und Liebeskummer. „Seht her, was ihr aus uns gemacht habt“, rufen die Schweigers und Schweighöfers dabei mit vermeintlich ulkigem Unterton: „Erst macht ihr uns häuslich und dann langweilen wir euch.“
In den Kinocharts macht sich die Krise bezahlt. Das Versprechen von Regiedebütant Matthias Schweighöfer, bei 400 000 Kinobesuchern am ersten Startwochenende nackt durchs Brandenburger Tor zu rennen, musste prompt eingelöst werden. Doch Schweighöfer blieb der soften Linie treu: Der Flitzer kniff – und trug Unterhose.
Verkehrte Prinzenrolle
In der romantischen Beziehungskomödie scheint sich die Feminismusdebatte geradezu ins Märchenhafte verkehrt zu haben. Aus dem Traumprinzen ist die schöne Prinzessin geworden, die auf dem weißen Ross vorbereitet, um einen wie Schweigers Jeraume aus seinem Kinderzimmer-Dasein zu erlösen.
Und Schweighöfer erkennt, dass man auch als biederer Grundschullehrer kein Frosch sein muss, um ein ganzer Kerl zu werden. Es kommt einfach nur darauf an, die richtige Frau zu küssen.